Flandry 2: Höllenzirkus
Klientenspezies in seiner Arbeitsgruppe hätte –, aber ich kann mir vorstellen, dass er ohnedies schon kämpfen musste, damit eine widerstrebende Regierung sein Projekt bewilligte, ohne dass er sich auch noch gegen Haltungen stellt, die beim typischen Merseianer so eingefleischt sind, dass er sich ihrer nicht einmal bewusst ist.
Da eine Funkverbindung zur Basis bestand, mühte sich der Expeditionsleiter nicht mit einem Vokalisator ab. Er sprach direkt zu dem Computer der Basis Eriau, welches dieser bis zu dem begrenzten Ausmaß, den seine Speicherbänke ›kannten‹, in den Dialekt umsetzte, der hier, in Ktha-g-klek, gesprochen wurde. Gegrunzte und geschnalzte Laute drangen aus den Minisets derjenigen Wesen im Dorf, die gerade zuhörten. Über das Relais im Bus lief der Prozess auch umgekehrt ab, und eine künstliche merseianische Stimme sagte: »Seid willkommen. Wir sind in einem Sturzbach der Arbeit, aber es kann geschehen, dass ein Teilen des Selbsts möglich ist.«
»Umso mehr, wenn wir euch beim Transport eurer Lasten helfen können«, bot der Expeditionsleiter an.
Der Dom zögerte. Konservativismus des Primitiven, begriff Flandry. Er kann nicht sicher sein, dass Flugmaschinen kein Unglück bringen oder so etwas. Schließlich hörte man: »Kommt zu uns.«
Das war leichter gesagt als getan. Zunächst musste jeder an Bord in seinen Hitzeschutzanzug steigen. Ein Exemplar war für Flandry modifiziert worden. Es bestand aus einem weißen Overall, der mit Taschen und Futteralen besetzt war, dazu Stiefel und Handschuhe, alles durch ein Netz aus Thermoleitfäden isoliert. Ein Fischglashelm war mit Futterluke ausgestattet, mechanischen Scheibenwischern, Zweiwege-Schallverstärker und Kurzstreckensender. Eine Wärmepumpe an den Leitfäden, mit Batteriestrom betrieben, wurde auf dem Rücken getragen. Obschon schwer, behinderte die Montur einen nicht so sehr, wie man vielleicht erwartet hätte. Das Gewicht war gut verteilt; die Handschuhe waren dick und steif, aber man hatte die Apparate auch dafür ausgelegt, und für feinere Arbeit konnte man sich Verlängerungen über die Finger schieben, die an Plektrons erinnerten. So lästig es auch ist, dachte sich Flandry, man bedenke die Alternative.
Nicht dass kein Mensch oder Merseianer in dieser Sauna eine Weile lang überleben könnte. Ich nehme an, es ginge, wenn diese Weile wirklich nur ein Weilchen wäre. Das Problem läge wohl darin, dass uns die Aussicht, noch sehr lange weiterzuleben, nicht besonders verlockend erscheinen würde.
Nachdem alles in den Anzügen war, landete der Bus, und die Gruppe stieg aus. Auf dieser Höhe erfolgte die Signalumleitung zur Basis automatisch.
Flandrys erster Eindruck war der von Gewicht, Beengtheit, der tuckernden Pumpe und kühler, trockener Luft, die gegen seine Nasenlöcher geblasen wurde. Anderweitig ungereinigt, trug die Atmosphäre Gerüche von Wachstum und Zerfall mit sich, pflanzlichen und tierischen Ausdünstungen und vulkanischen Dämpfen, die dunkle Erinnerungen in Flandrys Hinterkopf aufwühlten. Er verwarf sie alle und konzentrierte sich stattdessen auf seine Umgebung.
Der Fluss schoss an einer breiten Wiese vorbei, wo er Gischt und Dampf an die Ufer warf. Darüber und an allen Rändern ragte der Dschungel auf. Bäume wuchsen in die Höhe, Unterholz breitete sich aus, und Blatt drängte sich an gezacktes blaues Blatt, bis das Auge sich bald in triefendem Dunkel verlor. Doch die Stängel wirkten zerbrechlich und schwammig, und die Blätter trockneten aus; sie raschelten aneinander, und das gefallene Laub tanzte im Wind: Das kurze Leben des Sommerwaldes neigte sich seinem Ende zu.
Auf offener Fläche standen robustere Vertreter derjenigen Pflanzenfamilie, die von den Merseianern Wair genannt wurde: Sie war hier so weit verbreitet, mannigfaltig und ökologisch grundlegend wie Gras auf Terra. Im Frühjahr wuchs es aus einem Samen mit harter Schale und baute rasch ein Büschel von Gewächs auf; seine Wurzel erinnerte an eine Knolle, ohne eine Knolle zu sein. Die Blätter der lokal dominanten Abart wuchsen knöchelhoch und sahen aus wie Spitze. Auch sie verwelkten schon, und es würde nicht mehr lange dauern, und das Wair begann zu ruhen; bald, im Herbst, verzehrte es seine Wurzeln und würde Samenkapseln hervorbringen, und wenn der Frost die Schoten aufbrach, fielen die Samen auf den Boden.
Düster überragte der Berg des Tiefen Grollens die Baumwipfel. Ein leichter Stoß ging durch Flandrys Schienbeine, und er hörte
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