Flandry 4: Ehrenwerte Feinde
Redensart erinnert, das nicht nur zwei das gleiche Spiel treiben können, sondern auch drei, vier oder egal wie viele, bis es schließlich außer Kontrolle gerät und am Ende jemand den Tisch umwirft.
Weine nicht um verlorene Ehre, Gunli. Es hat sie nie gegeben.«
»Ich besaß sie einmal.« Ein merkwürdiges Licht leuchtete in ihren Augen. »Ich habe sie verloren, und obwohl mein Volk dadurch vielleicht frei wird, bin ich nicht würdig, über Ilrien zu herrschen. Dominic, Schande kann nur mit Blut abgewaschen werden.«
Unbehagen überkam ihn. »Wie meinst du das?«
Gunli riss ihm den Strahler aus dem Holster und trat außer Reichweite zurück, ehe er reagieren konnte. »Bleib stehen!«, rief sie schrill. »Bleib stehen, oder ich schieße!« Ruhiger fragte sie: »Du bist verschlagen. Aber besitzt du auch Mut?«
Flandry erstarrte. »Ich denke …« Er verstummte und suchte nach Worten. Wusste sie nicht, was sie tat? Nein, das glaubte er nicht. Aber sie war kein richtiger Mensch, und der eiserne Ehrenkodex des Barbaren steckte ebenso tief in ihr wie die mildere Philosophie ihrer eigenen Zivilisation. »Ich denke, ich habe schon einiges riskiert, Gunli.«
»Richtig. Aber offen Mann gegen Mann gekämpft, wie ein Krieger es sollte, das hast du nie.« Der Schmerz verzerrte ihr schmales, schönes Gesicht. Sie atmete keuchend ein und aus. »Ich tue das sowohl für dich als auch für ihn, Dominic. Er muss Gelegenheit bekommen, seinen Vater zu rächen – meinen Mann – und das gefallene Scotha … und du brauchst die Möglichkeit, deine Ehre zurückzuerlangen. Die Götter werden wissen, wer im Recht ist.«
Ein Gottesurteil, dachte Flandry, und das über dreihundert Lichtjahre von der alten Terra entfernt.
Cerdic kam zur Tür herein. In den Händen hielt er je ein Rapier, und er lachte gackernd auf.
»Ich habe ihn eingelassen, Dominic«, rief Gunli unter Tränen. »Ich musste es tun … für Penda … aber töte ihn, bitte töte ihn!«
Sie rannte ans Fenster. Mit bebender Hand warf sie den Strahler hinaus. Ein fragender Ausdruck trat auf Cerdics wutverzerrtes Gesicht. Gunli klammerte sich an die Fensterbank und schluchzte: »Ich hatte Angst, ich könnte dich erschießen, Cerdic.«
»Danke!«, rief er hasserfüllt. »Vielleicht werde ich daran denken, wenn ich mich dir zuwende, Verräterin. Aber vorher …« – wieder das gackernde Lachen – » … schneide ich deinen Buhlen in viele kleine Stücke. Denn welcher ach so zivilisierte Terraner weiß schon das Schwert zu führen?«
Gunli taumelte. »O Götter, o allmächtige Götter … daran habe ich nicht gedacht!«
Plötzlich warf sie sich auf Cerdic und griff ihn mit Zähnen, Nägeln und Hörnern an. »Auf ihn, Dominic!«, schrie sie.
Mit einer Bewegung seines muskulösen Arms schleuderte Cerdic die Königin zu Boden. Benommen blieb sie liegen.
»Und jetzt«, sagte Cerdic grinsend, »wähl deine Waffe!«
Flandry trat vor und nahm wahllos eine der beiden schlanken Klingen. Seine Gedanken waren hauptsächlich bei der Königin. Das arme Kind, sie hatte mehr erduldet, als sie ertragen konnte. Hoffentlich war das Schicksal später freundlicher zu ihr.
Cerdic kreuzte mit Flandry die Klingen. Sein Gesicht hatte einen verträumten Ausdruck angenommen. »Ich werde mir Zeit lassen«, sagte er. »Wenn du stirbst, Terraner, bist du schon kein Mann mehr …«
Stahl klirrte. Flandry parierte den mörderischen Streich und scharrte dem Prinzen mit der Degenspitze über die Stirn. Cerdic brüllte und stürmte vor. Flandry wich zurück. Körperlich waren Scothani stärker als er. Wenn er unvorsichtig wurde, schlug Cerdic ihm vielleicht die Klinge aus der Hand.
Der Prinz holte zu einem Hieb aus. Dabei gab er sich eine gewaltige Blöße und hätte den einfachsten Stoß nicht parieren können, doch Flandry zog es vor, ihn nicht zu töten. Stattdessen parierte er erneut und ließ eine Riposte folgen, mit der er Cerdic einen Schnitt auf der Brust beibrachte. Der Scothaner sprang zurück. Flandry machte einen Ausfall, eine Finte und einen Gleitstoß. Er traf seinen Gegner in den rechten Unterarm. Blut quoll hervor. Die Wunde machte Cerdic nicht kampfunfähig, aber er war angeschlagen. Flandry führte eine Battute durch und fegte die gegnerische Klinge beiseite. Dann zog er Cerdic die flache Seite der eigenen Waffe über die Finger. Der Scothaner keuchte vor Schmerz auf, und Flandrys nächster Stoß wirbelte Cerdics Waffe durch die Luft. Flandry legte ihm die Rapierspitze an die
Weitere Kostenlose Bücher