Flandry 4: Ehrenwerte Feinde
Kehle.
Flandry lachte ihm ins verblüffte Gesicht und sagte: »Mein lieber Freund, du hast unsere Dekadenz offenbar nicht so genau studiert, wie du meinst. Altertümelei geht mit der Dekadenz einher. Die Wissenschaft der Fechtkunst ist bei uns recht populär.«
Der Prinz fasste sich. »Dann töte mich. Bring es hinter dich.«
»Es ist schon viel zu viel getötet worden. Außerdem habe ich Verwendung für dich.« Flandry warf das Rapier beiseite und ballte die Fäuste. »Aber vorher noch etwas anderes, auf das ich mit außerordentlicher Geduld gewartet habe.«
Trotz der starken, aber unbeholfenen Abwehr Cerdics prügelte Flandry den Scothaner windelweich.
Der Wind brauste um den höchsten Turm der Burg, kühl und energisch; doch bis auf einige Wolkenfetzen war der Nachmittagshimmel blau. Einige Flugwesen mit goldenem Federkleid kreisten über der Wehrplattform, auf der Flandry und Gunli standen. Zum Schutz vor dem Wind trugen sie Umhänge, doch sie hatte eine Hand auf die Zinnen gelegt, und er hielt sie bedeckt. Unter ihnen fielen Wälle und Dächer zu einer Stadt ab, in der ilrische Patrouillen den Frieden hüteten. Dahinter griffen Felder, Hügel und Wälder grün nach Schneegipfeln am Horizont.
»Was du getan hast, Mädchen«, sagte Flandry, »du hast Scotha mehr oder minder gerettet. Ganz Scotha. Überleg doch. Was wäre geschehen, wenn ihr ins Imperium eingefallen wärt? Selbst wenn ihr gewonnen hättet – was immer in Zweifel stand, denn Terra ist nach wie vor mächtig –, aber angenommen, es wäre euch gelungen, was wäre als Nächstes geschehen? Die Menschen oder die Merseianer hätten schon bald zugesehen, wie ihr euch in Bürgerkriegen um die Beute zerfleischt. Ihr wäret einem Eroberer zum Opfer gefallen, der euch nur wenig Gnade erwiesen hätte. Nun aber hat der Konflikt weit, weit weniger Schaden angerichtet, als es euer Erfolg getan hätte; und die Sieger sind nicht rachsüchtig.«
Gunli senkte den Kopf. »Wir haben es verdient, unterworfen zu werden.«
»Ach, ihr werdet doch gar nicht unterworfen«, entgegnete Flandry. »Was hätte Terra davon, so weit entfernt, wie ihr seid? Einige drastische Veränderungen müssen natürlich stattfinden, damit sich hier kein neuer Gefahrenherd entwickelt. Aber die imperiale Kommission, die darüber entscheidet, wird sich sehr auf mein Gutachten stützen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Scotha zu einer Konföderation einzelner Nationen unter ilrischer Dominanz werden wird, mit dir als Königin, und einem terranischen Residenten, der die Dinge im Auge behält, dich aber meistens in Ruhe lässt.« Seine Lippen strichen ihr über die Wange. »Mach dir schon einmal Gedanken darüber, was du gern alles in die Tat umsetzen möchtest.«
Gunli lächelte ihn noch immer sehr matt an, aber ein wenig von ihrem alten Kampfgeist war bereits auf dem Rückmarsch. »Ich glaube nicht, dass das Imperium wirklich in so schlechtem Zustand ist«, erwiderte sie. »Nicht, solange es Männer wie dich hat.«
Nein, dachte er, es ist noch schlimmer dran; aber wieso soll ich dich erneut verletzen, indem ich dir das erkläre?
Gunli holte ihre Linke unter dem Umhang hervor und ergriff ihn bei den Händen. »Und was wirst du tun?«, fragte sie.
Flandry schaute ihr in die Augen, und ihn befiel eine plötzliche Einsamkeit. Wie schön sie hier vor ihm stand.
Doch was sie meinte, konnte niemals von Dauer sein. Dafür waren sie einander zu fremd. Besser war es, wenn er bald aufbrach; dann durften ihre Erinnerungen ihren Glanz behalten. Mit der Zeit würde sie jemand anderen finden, und er … nun … »Ich habe meine Arbeit«, sagte er.
Im Sonnenlicht funkelte weit über ihnen das erste der landenden Imperiumsschiffe wie ein fallender Stern.
Originaltitel: Tiger by the Tail.
Erstveröffentlichung: Planet Stories, January 1951.
Ehrenwerte Feinde
Hinter ihm öffnete sich die Tür, und eine Stimme murmelte: »Guten Abend, Captain Flandry.«
Mit einem reflexhaften Griff nach seinem Schocker wirbelte der Terraner herum und blickte in einen Strahler. Langsam senkte er die leere Hand und stand sprungbereit da. Sein Blick glitt über die Waffe und die schlanke Hand mit den sechs klauenhaften Fingern, die sie hielt, zu dem hochgewachsenen, hageren Körper und dem spöttischen Lächeln.
Das Gesicht – schmal, adlernasig und goldhäutig – war menschenähnlich zu nennen, wenn man zahllose Kleinigkeiten übersah, was Form und Proportionen anging. Der Schädel trug kein
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