Flandry 4: Ehrenwerte Feinde
vorzeitigen Aufdeckung durch die Beteigeuzer.
Offensichtlich hatten sich die Merseianer dagegen entschieden, den Sartaz augenblicklich zu informieren. Aline hatte sie richtig eingeschätzt. Dennoch warteten sie nicht einfach ab, bis die Operation ins Rollen kam. An Bord eines Schnellboots hatten Aycharaych und einige andere am Nachmittag des ersten Tages den Planeten verlassen, angeblich, weil sie persönlich Berichte auf der Heimatwelt abzuliefern hätten. Flandry hingegen war ziemlich sicher, dass die Berichte tatsächlich an den Flottenverband gingen, den das Roidhunat in der näheren Umgebung stationiert hatte und dessen Kommandeur erheblich mehr Ermessensspielraum genoss als ein Admiral des Imperiums.
Ohne Zweifel würden die Merseianer irgendwelche Kampfeinheiten nach Alfzar schmuggeln. Die Frage, die wirklich interessante Frage war nur, ob sie so kurzfristig reagieren konnten. Flandry vermutete, dass sie es auf jeden Fall versuchen würden und, wenn es fehlschlug, die Flotte heranführten, um ›dem tapferen Beteigeuzischen System beizustehen‹. Wenn der Sartaz dann noch nicht vor Terra kapituliert hatte – und vielleicht sogar dann noch –, würde er dadurch sicherlich zum verlässlichen Verbündeten des Roidhuns.
Terra konnte natürlich auch Erfolg haben; der Kampfverband würde nicht allzu weit hinter dem ersten Geschwader folgen, und der merseianische Kommandeur könnte sich gegen eine ausgewachsene Raumschlacht entscheiden. Könnte, könnte, könnte! Die Unbekannten waren wie ein Spinnennetz, in dem Flandry sich verhedderte.
Er rief Informationen über das Gunazar-Tal auf. Es war verlassen und unbewohnt, Heimat der Winde und Brutplatz von Drachen, eine gute Stelle für eine geheime Landung; aber das Geheimnis war nicht mehr geheim.
Flandry hatte den Eindruck, dass nur wenige Mitglieder der merseianischen Gruppe informiert waren, und auch die nur unter dem Siegel der Verschwiegenheit. Einige betrachteten ihn nun mit Hass statt mit Verachtung, wenn sie ihm begegneten. Es wäre nicht sonderlich sinnvoll gewesen, sehr viele untergeordnete Personen einzuweihen. Sie waren genauso hilflos, wie Flandry sich vorkam.
Aline war fort. Das Gleiche galt für General Frank Bronson, den menschlich-beteigeuzischen Offizier, den sie schon kurz nach ihrer Ankunft zu ihrem Privatbesitz gemacht hatte. Flandry fragte sich, ob er ihretwegen zum echten Verräter geworden war wie etliche seiner Untergebenen unter dem Einfluss terranischer Agenten oder ob sie ihn nur überzeugt hatte, dass es im besten Interesse seiner Heimat lag, wenn er Terra zur Seite stand. Flandry fragte sich auch, was er eigentlich für sie tun sollte, um die Invasion zu begünstigen, und wie sie ihn dazu bewegte; aber vor der zweiten Frage scheute er zurück, weil die in ihm nur unangebrachte Eifersucht weckte.
Der Rote Riese überquerte den Himmel, sank und war verschwunden, ging erneut auf, überquerte den Himmel, sank und verschwand – und als er wieder aufging, war nichts passiert.
Kettenrauchend stapfte Flandry auf und ab, murmelte eine Litanei aus allen Flüchen in sämtlichen Sprachen, die er je gelernt hatte. Nichts war geschehen. Eine der ersten Lektionen, die man ihm als Kadett beigebracht hatte, war gewesen: ›Keine Operation verläuft je nach Plan.‹ Es konnte leicht zu einer Komplikation gekommen sein, die eine Verzögerung nach sich zog. Doch jede zusätzliche Stunde gab den Merseianern mehr Zeit zum Handeln.
Am dritten Abend rief ihn einer seiner Informanten in seinem Quartier an und erklärte atemlos, dass General Bronson zurückgekehrt sei und den Sartaz um eine Audienz gebeten habe – sofort! Minuten später erhellte sich der Visifonschirm mit Alines Gesicht. »Ich bin wieder da, Liebling«, sagte sie. »Komm in mein Zimmer.«
Aline ließ ihn herein und trat mit ernstem Gesicht zurück. Sie musterte ihn so eingehend, dass er nicht einmal versuchte, sie zu umarmen, sondern stehenblieb und zurückstarrte. Schließlich sagte sie leise: »Du bist offenbar sehr müde. Müder, als ich erwartet habe. Was ist vorgefallen?«
»Kaum etwas«, antwortete Flandry, »aber mir ging es nicht besonders, und vor allem habe ich mir um dich Sorgen gemacht …«
»Daran kann ich etwas ändern«, sagte sie, doch ohne ein Lächeln. »Ich muss. Wir haben nicht viel Zeit. Der Sartaz hat eingewilligt, sich in nur zwei Stunden von Bronson in eine ›wichtige Angelegenheit‹ einweisen zu lassen. Wir müssen alles vorbereiten, und wir sollten
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