Flandry 4: Ehrenwerte Feinde
Aus einem Impuls heraus küsste Flandry sie, aber er hatte sich weit genug im Griff, um den Kontakt kurz und flüchtig zu halten. »Guten Abend«, sagte er. »Wie war’s?«
»Ich habe vor allem nachgedacht«, antwortete sie leise. »Sehr angestrengt nachgedacht. Wie wäre es mit einem Schlummertrunk, ehe wir reden?« Sie wies auf eine Karaffe und zwei verzierte Kelche, die noch nicht auf dem Tisch gestanden hatten, als Flandry gegangen war.
»Nein, danke«, lehnte er ab. »Ich habe wirklich schon zu viel intus.«
»Bitte«, sagte sie, während sie ernst die Lippen aufwärtsbog. »Mir zuliebe. Ich muss auch ein bisschen abschalten.«
»Nun, wenn eine Dame mich so schön bittet …« Flandry nahm den Kelch, den sie ihm reichte. Sie stießen an und tranken.
Der Wein schmeckte eigentümlich, und wenn Flandry nicht bereits alkoholisiert gewesen wäre, hätte er ihn nach dem ersten Schluck weggestellt. Doch Aline sagte: »Also magst du ihn, ich sehe es dir an«, und er beschloss, dass dem wirklich so sei, auch wenn ihm plötzlich leicht schwindelte.
Er setzte sich aufs Bett, und sie kam neben ihn. »Starkes Gebräu«, murmelte er. »Wo um alles in der Galaxis ist das her?«
»Ach, das ist unwichtig. Das Personal konnte mir kurzfristig nichts Besseres beschaffen, und ich wollte keine Szene machen.« Aline lachte. »Für die Regierungsarbeit reicht er.«
»Fürs Regierungsfaulenzen auch«, entgegnete Flandry und trank wieder.
»Ja, ab und zu müssen wir fliehen, sonst verlieren wir den Verstand. Wir haben heute Nacht … wenigstens heute Nacht.« Während er seinen Kelch leerte, schmiegte Aline sich an ihn. »Und wir haben unsere Liebe.«
»Was?«, fragte er ungelenk wie ein Halbwüchsiger. Der Schwindel ließ nach; aber er fühlte sich seltsam.
»Wir brauchen es nicht zu kaschieren, wenn wir zusammen ins Bett gehen, Dominic, Liebster«, hauchte sie. »Wir lieben einander.«
Flandry vergaß alles andere, als dieses freudige Wissen von ihm Besitz ergriff.
Kurz vor der Morgendämmerung küsste sie ihn wach. Flandry griff nach ihrer Weichheit und ihrem Duft, doch sie setzte sich auf und sagte: »Nein. Noch nicht, Geliebter.«
Eine gewisse Vernunft stellte sich ein, und auch er richtete sich auf, beugte sich auf dem Ellbogen zu ihr und sagte: »Du hast mir etwas zu sagen.«
»Ich habe mir den Kopf zerbrochen, immer wieder, und schließlich habe ich es auf meine Kappe genommen … Nun, es sollte mein Geheimnis bleiben, bis ich unsere Vorgesetzten hier erst in letzter Minute informiere, weil ich die unverdächtige Frau bin. Aber nach unserer Entdeckung, was Aycharaych betrifft, hat sich alles geändert.«
Flandry erstarrte. Aline sprach mit einer Ungerührtheit, die überhaupt nicht zu ihren Worten passen wollte:
»Bevor ich Terra verlassen habe, wurde ich darüber informiert, dass der Kaiser und der Politische Rat es in Erwägung ziehen. Unsere Depeschen haben die Entscheidung herbeigeführt, und ich erhielt eine Nachricht per Diplomatenpost.
Ein Kampfverband steht in der Nähe, knapp außerhalb der Ortungsreichweite.« Das war für sich genommen wenig überraschend, auch wenn Flandry nicht davon gewusst hatte. Man versuchte immer, sich Möglichkeiten offenzuhalten. Ohne Zweifel hatten auch die Merseianer irgendwo unweit Beteigeuzes einen kleinen Flottenverband stationiert. »Beiboote sind auf Schleichfahrt in eine weite Bahn um Beteigeuze eingetreten. Jetzt haben sie ihre Befehle: heimliche Landung auf Alfzar, Errichtung eines Brückenkopfes, Erteilung eines Ultimatums an den Sartaz.«
»Aber das ist doch unmöglich!«, protestierte Flandry.
»Nein, es ist riskant, aber es hat eine brauchbare Erfolgschance; und wenn wir gar nichts unternehmen, fällt Beteigeuze automatisch an die Merseianer. Noch haben wir genügend Agenten in der Raumabwehr, dass wenigstens ein Geschwader aus dem äußeren System bis Alfzar kommt, ohne entdeckt zu werden, ehe es zu spät ist. Schon übermorgen landet es im Gunazar-Tal des Borthudian. Dann halten wir jeden wichtigen Ort auf dieser Welt mit unseren Raketen in Geiselhaft, besonders natürlich den Palast hier. Die bittere Pille versüßen wir damit, dass der Sartaz substanzielle ›Beihilfen‹ erhält, wenn er die Merseianer ausweist. Admiral Fenross arbeitet schon seit langem an dieser Operation. Nach seiner Ansicht wird der Sartaz nachgeben, wütend zwar, aber trotzdem nicht zu einem offenen Krieg bereit.«
»Aber werden sich die Merseianer kampflos aus dem Spiel
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