Flandry 4: Ehrenwerte Feinde
drei Bänden des höllischen Wörterbuchs. Aber na ja, dachte er, dafür bezahlt man mich schließlich.
VI
Stunden waren vergangen, als Flandry das Haus wieder verließ. Er hatte zu essen bekommen, aber die pure Erschöpfung verlangte ihren Tribut. Recht langsam schwamm er zum Felsen des Kommodores zurück. Als er dort stand, ruhte er sich ein wenig aus, während er auf das Meer hinausblickte.
Loa war aufgegangen und stand lunagroß und beinahe voll am Himmel, besaß aber die mehrfache Helligkeit des Erdmondes. Hoch oben in klarer Schwärze überstrahlte der Mond die meisten fremden Sternbilder. Die Markierungslichter an jedem Fels, die farbig kodiert den Wasserstand anzeigten, sodass ganz Jairnovaunt wie ein großes Schmuckkästchen erschien, ermatteten vor dem Mondschein auf dem Meer.
Flandry nahm eine Zigarette aus dem Etui. Ihm genügte es, mit diesem Licht allein zu sein. Man sollte imperiale Agenten einer Art Gewissensverödung unterziehen, sinnierte er und zog den Rauch in die Lungen.
»Bleibt Euch der Schlummer fern, Captain?«
Beim Klang der tiefen Frauenstimme fuhr Flandry herum. Als er das Mondlicht auf Tessa Hoorn schimmern sah, steckte er schuldbewusst die Waffe wieder weg.
»Sie kommen mir auch recht wach vor«, entgegnete er. »Es sei denn, Sie schlafwandeln oder schlaftauchen oder was auch immer ihr hier so macht. Aber nein, ganz gewiss bin ich es, der schläft. Wecken Sie mich bitte nicht.«
Der Mond verwandelte sie in Flecken aus Dunkelheit und geschmeidigen Zauber, während das Wasser ihre Füße umfloss. Sie war schwimmen gewesen – Loa glitzerte in einer Million kühler Tropfen, ihrem einzigen Gewand. Flandry erinnerte sich daran, wie sie unter freiem Himmel oder mondbeschienenen Segeln geredet und gelacht, einander vorgesungen, frühere Erlebnisse und sogar Hoffnungen ausgetauscht hatten. Sein Herz pochte, und seine Zungenfertigkeit versagte ihm den Dienst.
»Aye. Mein Netz wollte den Schlaf heut Nacht nicht halten.« Mit gesenkten Augen stand sie vor ihm. Zum ersten Mal wich sie seinem Blick aus. In dem unwirklichen Licht sah Flandry den Puls an ihrer Kehle. »So verließ ich meine Koje und …« Sie verstummte.
»Warum sind Sie hierher zurückgekommen?«, fragte er.
»Nun … es war ein Ziel. Oder vielleicht … Nein!« Sie versuchte zu lächeln, aber ihre Lippen bebten. »Da wir der Neugierde frönen, wo weiltet Ihr heut Abend?«
»Ich habe mit dem Alten John gesprochen«, antwortete Flandry, weil bislang die Wahrheit seinen Zwecken am besten gedient hatte. »Es war nicht leicht.«
»Aye. Eure Arbeit würde ich keinem Feind wünschen, Dominic. Warum tut Ihr sie?«
Er zuckte mit den Schultern. »Ich verstehe mich auf nichts anderes.«
»Nein!«, widersprach Tessa. »Einem Untier von Gouverneur beizustehen oder einer Null von Resident – das ist unter Eurer Würde. Ihr könntet überall … selbst hier … Ach nein, die Sonne würde es nicht lang gestatten …«
»Es ist nicht ganz ohne Sinn«, sagte Flandry. »Das Imperium ist …« – er grinste hilflos – » … weniger perfekt als ich. Das stimmt. Aber was immer es ersetzen würde, es wäre wesentlich schlimmer.«
»Seid Ihr da wirklich sicher, Dominic?«
»Nein«, entgegnete er bitter.
»Ihr könntet auf einer Grenzwelt leben und Arbeit tun, von der Ihr sicher sein würdet, dass sie Eurer wert ist. Ich … Sogar ich dachte schon, das Universum bietet mehr als Nyanza … Wenn solch ein Planet Meere hätte, könnte ich …«
Flandry beeilte sich zu fragen: »Hatten Sie erwähnt, dass Sie ein Kind haben, Tessa?«
»Aye, ein Kommodorekind, aber da ich noch unvermählt bin, ward der Junge fortgegeben in die Adoption.« Flandry war sein Erstaunen anzumerken, und Tessa, genauso froh wie er über das unverfängliche Thema, erklärte: »Der Kommodore darf nicht freien, aber er liegt bei jeder, bei der er liegen möchte. Es ist eine hohe Ehre, und wenn sie ohne Mann ist, erhält die Frau von ihm eine große Mitgift. Entspringt dieser Vereinigung Nachwuchs, wird er von der Mutter Sippe aufgezogen; wenn sie alle alt genug sind, ernennen die Räte den vielversprechendsten Sohn zum Thronfolger.«
Irgendwo in seinem schwindelnden Kopf dachte Flandry, dass die terranischen Kaiser auf Nyanza einiges lernen könnten. Er zwang sich zu einem leisen Lachen und sagte: »Nun, damit sind Sie die perfekte Partie, Tessa: adlig, reich und die Mutter eines potenziellen Häuptlings. Wie sind Sie der Ehe so lange entkommen?«
»Den
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