Flandry 4: Ehrenwerte Feinde
gefunden.
Es stand auf einem langen, schmalen Felsen, von kleineren Steinen umgeben, an denen die Brandung ihre mörderische Wut ausließ. Auf der Suche nach einem sicheren Weg paddelte der Terraner vorsichtig um sie herum und fand zwei natürliche Wellenbrecher, die von ausgezehrten rostroten Koralloid-Spitzen gebildet wurden, dazwischen einen Weg, der durch noch überschwemmte Gärten aufwärtsführte, bis er die kleine Halbkugel erreichte. Die Dämmerung nahte langsam und tiefblau; im Westen erwachte weiß ein Abendstern zum Leben.
Flandry betrat den Strand unter den Klippen. Es war dort dunkel. Er wusste nicht, welcher Reflex, in jahrelanger Lebensbedrohung erworben, ihn rettete. Ein Mann glitt hinter einer der hohen Felsspitzen hervor und feuerte eine Harpune auf ihn ab. Flandry hatte sich bereits zu Boden geworfen, kaum dass er ein metallisches Glitzern gesehen hatte. Das tödliche Geschoss zischte durch die Luft, wo Flandry eben noch gestanden hatte.
»Bitte schön!« Flandry rollte sich zur Seite und riss den Betäubungsnadler aus der Pistolentasche. Eine Gestalt nachtschwarz wie ein Panther sprang ihn an. Flandry hatte die Waffe erst halb gezogen, als der schwere Körper auf ihn prallte. Ein harter Karatehieb, der Flandry augenblicklich das Handgelenk lähmte, entwaffnete ihn, und der Nadler klapperte über den Fels. Er sah in ein bärtiges, hasserfülltes Gesicht hinter einem Messer.
Flandry blockte den Klingenstoß mit dem linken Arm ab. Der Meuchler zog das Messer wieder zurück. Ehe er erneut zustechen konnte, zielte Flandry mit dem linken Daumen auf das näher stehende Auge. Sein Gegner hätte diese Ablenkung ignorieren sollen, bis er seinen nächsten Stoß vollendet hatte, doch stattdessen packte er mit der freien Hand den Arm des Terraners. Flandrys rechte Hand war noch geschwächt, aber ihm gelang ein Genickschlag damit; seine Linke befreite er, indem er dem Feind den Daumen zurückbog. Dann packte er den Messerarm des Angreifers mit beiden Händen und setzte das Knie an, um ihn zu brechen.
Der Kerl schrie auf, wand sich und konnte sich irgendwie befreien. Beide sprangen wieder auf. Der Dolch lag zwischen ihnen. Der Nyanzaner wollte sich auf die Waffe stürzen, doch Flandry stellte den Fuß darauf. »Erst den Finderlohn«, sagte er. Er trat dem auf allen vieren hockenden Mann hinters Ohr und zog den Strahler.
Der Nyanzaner gab nicht auf. Auf den Knien vor Flandry hockend warf er sich plötzlich mit der Schulter gegen die Beine des Terraners. Flandry stürzte auf den Rücken. Er erhaschte noch einen Blick auf den schlanken Feind, als der Angreifer sich erhob und sprang; er war im Wasser, ehe Flandry feuerte.
Nachdem der Knall verhallt war und keine Leiche an die Oberfläche stieg, holte sich Flandry seinen Nadler wieder. Allmählich beruhigten sich Puls und Atmung. »Das«, gab er laut zu, »war ein solch lächerlicher Fall beiderseitiger Unfähigkeit, wie ihn sich die Götter des Slapstick alberner nicht ausdenken könnten. Wir verdienen es beide, von kleinen grünen Tausendfüßlern zu Tode gekitzelt zu werden. Na … wenn du den Mund darüber hältst, will auch ich schweigen wie ein Grab.«
Im Halbdunkel suchte er nach dem Messer des Meuchelmörders. Es hatte eine gewöhnliche rostfreie Klinge, aber in den Knochengriff war ein unvertrautes Zeichen geschnitzt. Und hatte er überhaupt schon einen Nyanzaner mit nennenswertem Bartwuchs gesehen?
Flandry folgte weiter dem Weg und drückte am Haus den Klingelknopf. Vor ihm öffnete sich die Luftschleuse, und er trat ein.
Im Haus war es aufgeräumt wie auf einem Schiff, und es stand voller Modelle, Schnitzereien und ausgestopften Fischen, allesamt die Andenken eines Seemanns. Trotzdem wohnte ihm Leere inne. Ein alter Mann saß allein bei seinem toten Sohn; niemand sonst war anwesend.
John Umbolu blickte Flandry aus trüben Augen an und nickte. »Aye«, sagte er, »ich habe Euch erwartet, Captain. Seid willkommen, und setzt Euch.«
Flandry ließ sich auf eine Couch sinken, die mit der weichgeschuppten Haut eines schwimmenden Giganten bezogen war, den John Umbolu einst erlegt hatte. Das Leder war stark abgeschabt. Der alte Mann hinkte mit einer Karaffe voll importiertem Rum herbei. Nachdem er ihnen beiden eingeschenkt hatte, setzte er sich in einen gewaltigen Lehnstuhl, und sie stießen an. »Auf Eure Ehre und Gesundheit, Sir«, sagte John Umbolu.
Flandry blickte in das runzlige Gesicht und sagte leise: »Ihr Sohn Derek muss Ihnen meine
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