Flandry 5: Krieger aus dem Nirgendwo
gute Laune wiedergefunden hatten.
Soso, dachte Flandry.
Die Chance, auf die er gewartet hatte, kam: ein Lastkahn, der dicht am Kanalufer in die Richtung tuckerte, in die er wollte. Flandry stieß sich von den Ziegeln ab, packte einen Fender, der am Seil von der Reling hing, und drückte sich eng an den Rumpf. Seidig strömte das Wasser an seinem Leib und seinen nachgeschleppten Beinen vorbei. Der Geruch von Teer und Gewürzen drang ihm in die Nase. Irgendwo über ihm trommelte der Steuermann mit den Fingern einen Gamelan und sang vor sich hin.
Nach zwei Kilometern erreichte das Boot eine unsichtbare Grenze, wie es sie in den meisten Städten gibt. Auf der einen Seite eines Querkanals strebten an einem Wohnhaus der gehobenen Klasse Reihen zierlicher roter Säulen einem vergoldeten Dach zu. Am anderen Ufer gab es kein festes Land mehr, nur endlose Reihen von Pfählen, die die Bebauung über Wasser hielten. Hier waren die Lampen selten, die Dunkelheit dazwischen ausgedehnt, die Häuser niedrig und geduckt. Flandry sah deutlich, dass diese Lagerhäuser, Mietskasernen und kleinen Fabriken keine plastiküberzogenen Fassaden hatten wie im reichen Teil der Stadt. Hier bestand alles aus Blech und grob behauenem Holz mit Strohdächern, und aus kleinen Fenstern mit schmutzigen Scheiben leuchtete trübes Licht. Flandry sah zwei Männer vorbeigehen, die blanke Messer in der Faust hielten.
Der Lastkahn fuhr weiter, tiefer in den Slum hinein. Jetzt, wo der große Gong wieder schwieg und der dichte Verkehr hinter ihm lag, wurde es sehr still um Flandry. Der Terraner hörte nur noch das gedämpfte Grollen von Maschinen aus der Ferne. Doch waren die Kanäle vorher schmutzig gewesen, so waren sie nun abscheulich. Einmal strich im Dunkeln etwas an ihm vorbei; mit Haut und Nase erkannte er es als Leichnam. Einmal schrie weit entfernt eine Frau auf. Und einmal sah Flandry ein kleines Mädchen, das ganz allein unter einer Laterne am Kanal seilhüpfte. Der grelle blaue Lichtschein war so einsam wie ein Stern. Auf allen Seiten schloss Finsternis das Kind ein. Es hörte nicht auf zu springen, als das Boot vorbeifuhr, doch seine Augen folgten dem Kahn mit der Berechnung einer alten Hexe. Dann war Flandry an ihr vorbei und sah sie nicht mehr.
Zeit, sich abzuseilen, dachte er.
Plötzlich wurden Ruhe und Einsamkeit gebrochen. Es begann als leises, ungleichmäßiges Geschrei, das immer näher kam. Flandry wusste nicht, was ihn warnte – vielleicht der Steuermann, der mit der Musik aufhörte und den Motor auf Touren brachte. Doch des Terraners Nerven kitzelten, und er wusste: Die Schule ist aus.
Er ließ den Fender los. Der Kahn tuckerte eilig davon, bog ab und war verschwunden. Flandry durchschwamm das warme, schleimige Wasser, bis er eine Leiter ertastete. Sie führte zu einem Plankenweg vor einer Reihe schmieriger Häuser mit Blechwänden, spitzen Grasdächern und blinden Fenstern. Die Nacht umgab ihn dick, heiß und stinkend; sie war voller Schatten. Kein anderes menschliches Wesen machte eine Bewegung. Das Tiergeschrei näherte sich jedoch.
Nach einem Augenblick kam das Rudel in Sicht. Die Tiere glänzten im Licht einer Lampe, die noch zwanzig Meter entfernt war. Es war ein Dutzend von der ungefähren Größe und dem Aussehen terranischer Seelöwen. Sie hatten die kahle Haut eines Reptils, einen langen Hals und einen schlangenähnlichen Kopf. Zungen zuckten zwischen Zahnreihen hervor. Kosteten sie das Wasser? Flandry wusste nicht, wie sie seine Fährte verfolgt hatten. Er kauerte sich auf die Leiter. Der Kanal leckte um seine Fußknöchel, und er zog den Strahler.
Die Schwimmer sahen oder rochen ihn und warfen sich herum. Ihre hohen Schreie wurden zu einem schrillen Heulen. Gebt Laut, der Fuchs ist im Bau!
Als das vorderste Tier näher kam, feuerte Flandry seinen Strahler ab. Ein blauer Blitz zuckte durch die Dunkelheit, und ein Leib ohne Kopf rollte sich auf den Bauch. Der Terraner stieg hastig die Leiter hoch.
Die Bestien hielten sein Tempo, während er rannte, und schnappten nach seinen Füßen. Die Planken knarrten laut. Flandry schoss erneut und verfehlte sein Ziel. Einmal stolperte er, prallte gegen eine Wand aus Wellblech und hörte es dröhnen.
Ein Stück den Kanal hinunter jaulten Motoren, und die grimmige Sonne eines Suchscheinwerfers leuchtete Flandry in die Augen. Man brauchte ihm nicht eigens zu sagen, dass es ein Polizeiboot war, das ihn mithilfe der Schwimmtiere verfolgte. Er blieb vor einer Tür stehen. Die Tiere
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