Flandry 5: Krieger aus dem Nirgendwo
strich sich den Schnurrbart. »Ein System der Einheitssteuer.«
Die sozialwirtschaftlichen Aspekte lagen nun offen zutage. Wenn von unbedeutenden Ausnahmen abgesehen jede Person alle zwei Wochen den gleichen Preis für ihr Leben zahlen musste, wurden bestimmte Kreise der Bevölkerung ernsthaft benachteiligt. Männer mit großen Familien zum Beispiel: Sie würden ihre Kinder so früh wie möglich zur Arbeit schicken, um die Tabletten erschwinglicher zu machen. Das führte zu einer schlecht ausgebildeten jüngeren Generation, die noch weniger in der Lage wäre, ihren Platz auf der Wohlstandsleiter zu halten. Die Armen litten besonders darunter; jeder Schicksalsschlag lieferte sie für den Rest ihres Lebens den Kredithaien aus. Der Anreiz, Verbrechen zu begehen, war gewaltig – besonders, wenn es keine echte Polizei gab.
Im Laufe der Generationen wurden die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer. Am Ende herrschte eine kleine Klasse von Milliardären – Kaufleuten, großen Fabrikanten und Landbesitzern – über eine unterdrückte Bauernschaft und ein unruhiges städtisches Proletariat. Diese Unterschiede wurden erblich, weil niemand je genug verdienen konnte, um eine höhere Stellung einzunehmen als der eigene Vater … Hätte es regen Kontakt zu anderen Welten gegeben, wäre Unan Besar durch die Bedingungen der interstellaren Konkurrenz zu einer effektiveren Wirtschaftsordnung gezwungen worden. Doch von dem gelegentlichen unwichtigen Besuch eines strikt von den Menschen ferngehaltenen beteigeuzischen Händlers abgesehen war Unan Besar die letzten drei Jahrhunderte lang isoliert gewesen.
Flandry bemerkte, dass er übermäßig vereinfachte. Jeder Planet ist eine Welt für sich, so groß und vielfältig, wie Terra je war. Es musste mehr als eine Gesellschaftsstruktur geben, und innerhalb jeder Unterkultur fanden sich Einzelpersonen, die nicht dem Schema entsprachen. Luang zum Beispiel: Der Terraner wusste noch nicht so recht, was er von ihr halten sollte. Doch im Augenblick war das nicht wichtig. Er war in Kompong Timur, wo das Leben ungefähr so verlief, wie er abgeleitet hatte.
»Ich nehme an, dass Mangel an Respekt vor der Bioaufsicht hier so ziemlich das einzige ernsthafte Verbrechen ist«, sagte er.
»Nicht ganz.« Kemul ballte die Faust. »Die Bioaufsicht steht auf der Seite der Reichen. Brech mal ins Haus eines Reichen ein, und schau, was passiert. Zehn Jahre im Steinbruch, wenn du Glück hast. Eher versklaven sie dich.«
»Nur, wenn man gefasst wird«, schnurrte Luang. »Ich erinnere mich noch, wie … Aber das war damals.«
»Ich sehe schon, weshalb die Schutzleute keine Schusswaffen tragen«, bemerkte Flandry.
»In unserm Stadtviertel tragen sie welche.« Kemul wirkte noch zorniger. »Und sie kommen in Trupps. Trotzdem treiben am Ende genug von ihnen im Kanal, ohne dass einer sagen kann, wer sie fertiggemacht hat. Viele Leute würden es tun, verstehste? Nicht so sehr wegen dem Geld, das sie bei sich haben. Aber vielleicht gibt es da einen Mann, dessen Frau irgendein reiches Jüngelchen gesehen hat, als er sich hier unters Volk mischte, und auf sein Boot schaffen ließ. Oder ein Palastdiener, der einmal zu oft ausgepeitscht wurde. Oder ein Ingenieur, der seinen Posten verloren hat und zu uns abgerutscht ist, weil er es gewagt hat, eine Ladung schlechten Zement nicht mit ’nem Augenzwinkern zu übersehen. Solche Fälle eben.«
»Er spricht von Menschen, die er kennt«, sagte Luang. »Um Beispiele zu erfinden, fehlt ihm die Phantasie.« Sie frotzelte noch immer.
»Aber meistens«, fuhr Kemul unbeirrt fort, »kommen die Wächter gar nicht nach Sumpfstadt. Sie haben auch keinen Grund dafür. Wir zahlen unsere Pillen und halten uns vom Palastviertel fern. Was wir uns gegenseitig antun, das interessiert keinen.«
»Habt ihr denn nie an …« Flandry suchte in seinem pulaoischen Vokabular, fand aber kein Wort für ›Revolution‹. »Ihr Bürgerlichen und Armen seid viel zahlreicher als die herrschende Klasse. Und ihr besitzt auch Waffen. Ihr könntet sie doch … ablösen, versteht ihr?«
Kemul blinzelte. Schließlich spuckte er aus. »Ach, was soll Kemul mit teurem Essen und einem teuren Harem? Kemul geht es gut genug.«
Luang hatte begriffen, was Flandry wirklich meinte. Er merkte es ihr an, weil sie sich leicht schockiert zeigte; nicht dass ihr die gegenwärtige Gesellschaftsordnung in irgendeiner Weise unantastbar erschien, aber die Vorstellung einer kompletten Umwälzung war ihr zu
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