Flandry 5: Krieger aus dem Nirgendwo
Glasklare Wände vor der Unendlichkeit, gewölbt und gewellt wie Wasser. Planare Gravitationsfelder hielten facettierte synthetische Edelsteine, Rubine, Smaragde, Diamanten und Topase von jeweils mehreren Tonnen Masse, in einer Umlaufbahn um das zentrale Minarett. Eine auswärts gerichtete Blase wurde unter Schwerelosigkeit gehalten, ein Gewächshaus, in dem mutierte Farne und Orchideen sich in rhythmischen Brisen wiegten.
»Soweit ich weiß, wurde er vor einem Jahrhundert für Lord Tsung-Tse gebaut«, antwortete Flandry. »Sein Sohn verkaufte den Satelliten, um Spielschulden zu begleichen, und der damalige merseianische Botschafter erwarb den Kristallmond und ließ ihn in eine Umlaufbahn um Jupiter schaffen. Ganz schön symbolisch, was?«
Lady Diana hob fragend die Augenbrauen, doch Flandry verkniff sich eine Erklärung. Seine Gedanken liefen weiter: Ja, sicherlich. Wahrscheinlich ist es unausweichlich und so weiter. Terra war viel zu lange viel zu reich. Wir sind alt und satt, und wir gehen keine großen Wagnisse mehr ein. Währenddessen ist das merseianische Roidhunat frisch, tatkräftig, diszipliniert, engagiert und was der ermüdenden Eigenschaften da mehr sind. Ich persönlich genieße die Dekadenz ja; aber irgendjemand muss die Lange Nacht fern halten, solange ich lebe, und es sieht so aus, als hätte man mich dafür erkoren.
Sie näherten sich dem Eingangstor, wo ein silbriges Spinnwebportal offen stand. Wie es merseianischer Brauch war, begrüßte Ruethen sie persönlich am oberen Ende der irisierenden Gleitrampe. Doch er neigte nach terranischer Art den Kopf und strich Lady Diana mit hornigen Lippen über die Hand. »Ein seltenes Vergnügen, fürwahr.« Die Bassstimme verlieh seinem fließenden Anglisch einen unbeschreiblichen, nichtmenschlichen Akzent.
Die Schutzherrin musterte ihn. Der Merseianer war ein echtes Säugetier, zeigte aber mehr Spuren reptilischen Erbes als die Menschheit: eine blassgrüne Haut, die haarlos war und fein geschuppt, dazu einen niedrigen Zackenkamm, der vom Kopf über das Rückgrat bis zum Ende eines langen, dicken Schweifes verlief. Er war breitschultriger als ein Mensch und hätte höher als zwei Meter aufgeragt, wäre er nicht vorwärts gebeugt gegangen. Bis auf die Kahlköpfigkeit und die fehlenden Ohrläppchen erschien das Gesicht sehr humanoid und sah sogar gut aus, falls man das grob Behauene schätzte. Die Augen unter den Brauenwülsten jedoch waren zwei kleine jettschwarze Gruben. Ruethen trug die nüchterne Uniform seiner Gesellschaftsklasse: eng anliegendes Schwarz mit silbernem Besatz. An seiner Hüfte hing eine Pistolentasche mit einem Strahler.
Lady Diana verzog den perfekt modellierten Mund zu einem Lächeln. »Kennen Sie mich tatsächlich, Mylord?«, murmelte sie.
»Offen gestanden, nein.« Barbarische Unverblümtheit. Jeder terranische Adlige hätte seine Unwissenheit gewandt zu kaschieren gewusst. »Doch solange dieses Scheit auf dem Altarstein brennt, bringe es uns heiligen Frieden. Wie mein Stamm in den Kalten Tälern sagen würde.«
»Natürlich sind Sie ein alter Freund meines Begleiters«, erwiderte Lady Diana neckend.
Ruethen sah Flandry mit hochgezogener Braue an. Im nächsten Moment bemerkte der Terraner, wie sich der massige Leib anspannte – nur für einen Augenblick, dann war wieder nur die Maske zu sehen. »Wir sind uns hier und da begegnet«, erwiderte der Merseianer trocken. »Willkommen, Sir Dominic. Die Garderobensklavin wird Ihnen einen Gedankenschirm aushändigen.«
»Wie bitte?« Flandry fuhr unwillkürlich zusammen.
»Wenn Sie einen möchten.« Ruethen entblößte vor Lady Diana sein mächtiges Gebiss. »Ob meine unbekannte Freundin mich später mit einem Tanz beglückt?«
Lady Diana büßte einen Augenblick ihre Fassung ein, dann nickte sie huldvoll. »Das wäre ein … einmaliges Erlebnis, Mylord«, sagte sie.
Da hat sie allerdings recht. Flandry führte sie in den Ballsaal. Seine Gedanken spielten mit Ruethens eigentümlichem Angebot wie ein Hund mit einem Knochen. Wieso …?
Kaum erblickte er die hagere schwarze Gestalt zwischen den bunten Terranern, da kannte Flandry die Antwort. Kalt lief es ihm den Rücken hinunter.
II
Flandry verschwendete keine Zeit mit Entschuldigungen, sondern rannte fast zur Garderobe. Seine Füße wisperten über den Kristallboden, über dem Hunderte von Lichtjahren entfernt der Orion glitzerte. »Gedankenschirm«, stieß er hervor.
Die Sklavin war ein hübsches Mädchen. Die Merseianer
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