Flandry 6: Schattenwelt
über das Fell fuhr, vielleicht aus Zorn über seine Unhöflichkeit, den Hafenkapitän nicht nach seinem Namen zu fragen.
Der Fahrer gehorchte jedoch. Er war ein stämmiger junger Zivilist, der sich sofort verbeugte, als er Flandrys schreiende Version eines großen Dienstanzugs zu Gesicht bekam. »Captain Ahab Whaling?«
»Richtig.« Flandry bediente sich oft in alten Büchern. Er hatte Material für mehrere verschiedene Tarnexistenzen an Bord. Warum sollte er riskieren, dass er jemanden beunruhigte? Je mehr ihn alle anderen unterschätzten, desto besser. Da er den Kerl aushorchen wollte, fügte er hinzu: »Ah, und Sie sind …?«
»Diego Rostovsky, Sir, Faktotum bei Herausragender Bürger Lagard. Sie haben Gepäck erwähnt? … Tanzende Kometen, so viel? … Na ja, man hat ja Platz in der Residenz.«
»Sonst keine Gäste?«
»Im Moment nicht, Sir. Eine Weile lang hatten wir einen ganzen Haufen da, bis vor etwa einem Monat. Aber ich denke, dass wissen Sie schon, wo Sie ja auch für das Nachrichtenkorps arbeiten.« Rostovskys Blick auf das Augensymbol an Flandrys Brust deutete darauf hin, dass er große Zweifel hegte, was das Verb anbetraf.
Dennoch hielt die Neugier ihn freundlich. Nachdem die Luftschleusen sich entkoppelt hatten und der Wagen auf der Bodenstraße zur Stadt fuhr, erklärte er: »Wir fliegen nicht, wenn es sich vermeiden lässt. Die Atmosphäre spielt einem zu viele Streiche … Ah, in der Residenz wird man froh sein, Sie empfangen zu dürfen. Diese Offiziere, von denen ich sprach, waren zu beschäftigt, um gute Gesellschaft zu sein, außer …« Er verstummte und räusperte sich. »Und nachdem sie weg waren, ist die Isolation und die Anspannung … Mein Chef und sein Stab haben viel Beschäftigung, aber Donna Lagard sieht immer die gleichen Leute: Diener, Wächter, Händler und ihre Familien. Sie ist auf Terra aufgewachsen. Sie wird sich freuen, Nachrichten und den neusten Klatsch zu hören.«
Und du hältst mich für den Typ, der gerne klatscht, dachte Flandry. Ausgezeichnet. Sein Blick schweifte durch die Kanzel auf ruhige Felder und einen düsteren Himmel. Aber wer war die Ausnahme, von der du so offensichtlich nichts sagen darfst?
»Ja, ich kann mir vorstellen, dass alles ein wenig angespannt ist«, sagte er. »Aber wirklich, Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, ja? Ich meine, selbst wenn ein paar von diesen Stämmen rebellieren, das wär zwar furchtbar lästig, vor allem für den Handel, aber Thursday Landing kann doch gewiss diesen Primitiven standhalten.«
»Sie sind alles andere als primitiv«, erhielt er zur Antwort. »Sie haben Industrie und treiben direkten Handel mit Gesellschaften, die weiter entwickelt sind. Wir haben guten Grund zu der Annahme, dass sie eine Menge Waffen versteckt halten, darunter auch taktische Atomgefechtsköpfe. Sicher, wir könnten einen Angriff zweifellos abwehren und eine Belagerung aushalten. Die Garnison und die Abwehranlagen sind verstärkt. Aber der Handel würde zum Erliegen kommen – man braucht nicht viele Rebellen, um den Verkehr abzufangen –, und das würde mehr Planeten schaden als nur Diomedes … Und außerdem, wenn wirklich Menschen von außen die … äh, die …«
»Agents provocateurs«, sagte Flandry. »Oder Anstifter, wenn Ihnen das lieber ist. Ganz wie Sie wollen; mir ist’s gleich.«
Rostovsky runzelte die Stirn. »Na jedenfalls, was wollen ihre Bosse?«
Martin Lagard war ein kleiner strenger Mann in einem großen strengen Büro. Als er das Wort ergriff, in einem Anglisch, das noch immer seine Kindheit auf Atheia verriet, zuckten sowohl sein Spitzbart als auch seine Nasenspitze. Seine Jacke war aus gutem Material, aber unmodisch geschnitten, und gegen seinen Haarausfall hatte er noch nichts unternommen.
Der kaiserliche Resident blinzelte über seinen Schreibtisch hinweg Flandry an, der sich hinter einer Zigarette lümmelte, und sagte mit kratziger Stimme: »Ich freue mich, Ihre Bekanntschaft zu machen, Captain Whaling, aber offen gestanden bin ich mir über die Natur Ihres Auftrages nicht ganz im Klaren. Kein Kurier hat mich im Vorfeld von Ihrer Ankunft verständigt.« Er klang verletzt.
Ich beruhige ihn lieber. Flandry war Lagards Typus schon zu Dutzenden begegnet: Berufsverwalter, gewissenhaft, aber den Regeln verhaftet und geneigt, sich für zu wichtig zu nehmen. Innovatoren, oder Philosophen wie Chunderban Desai, traf man in diesen Reihen nur selten an; sie sahen sich dem Misstrauen ihrer Kollegen ausgesetzt und
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