Flandry 6: Schattenwelt
wir bewältigen können. Ich hoffe sehr, dass er recht hatte.«
»Sie versuchen, hiesige Konflikte zu entschärfen, wie?«
»Was sonst?« Lagard klang ungeduldig. »Mein Personal und ich leisten zusammen mit loyalen Diomedanern schwere Arbeit. Es wäre nicht unmöglich, eine faire Vereinbarung für die Migranten zu erzielen, wenn die verdammten Extremisten uns in Ruhe lassen würden. Ich fürchte, ich werde Ihnen ein schlechter Gastgeber sein, Captain. Übermorgen – nach terranischer Rechnung – breche ich nach Lannach auf, um dem Kommandeur des Großen Schwarms und seinem Rat bestimmte Vorschläge zu unterbreiten. Diomedaner empfinden ein Visifongespräch als zu unpersönlich.«
Flandry lächelte. »Bitte entschuldigen Sie sich nicht, Sir. Ich werde mich schon wohlfühlen. Vermutlich bleibe ich sowieso nur ein paar Tage auf dieser Welt, ehe ich zur nächsten springe. Maspes und Sie scheinen auf den ersten Blick reichlich gute Arbeit geleistet zu haben.«
Zufrieden und wahrscheinlich mit Visionen von Gratifikationen im Kopf strahlte der Resident ihn an. »Ich danke Ihnen. Ich werde Sie morgen dem Stab vorstellen, und dann können Sie – innerhalb der Geheimhaltungsschranken, die ich erwähnt habe – die Datenbanken durchsehen oder Vernehmungen durchführen. Aber gewiss möchten Sie sich zunächst einmal ausruhen. Ein Diener führt Sie in Ihr Zimmer. In einer halben Stunde trinken wir Aperitifs. Meine Frau freut sich schon darauf, Ihre Bekanntschaft zu machen.«
VIII
Beim Abendessen legte Flandry den Wortwitz und die Raffinesse an den Tag, auf die er sich vorbereitet hatte, bis Susette Kalehua Lagard über dem Likör seufzte: »Ach du meine Güte, Captain Whaling, wie wunderbar, dass Sie hier sind! Jemand wie Sie hat uns Ewigkeiten nicht mehr besucht – nur Leute aus der Provinz, und wenn nicht, dann waren sie so schauderhaft ernst, ganz ohne Feingefühl, bis auf einen, und der war kein Mensch … Oh!« Ihr Mann hatte die Stirn gerunzelt und sie angestoßen. Sie hob die Hand vor den Mund. »Nein, das war schlimm von mir. Bitte vergessen Sie, dass ich es gesagt habe.«
Flandry deutete im Sessel eine Verbeugung an. »Ich fürchte, Donna, das ist unmöglich. Wie könnte ich etwas vergessen, das Sie gesagt haben? Aber ich werde die Wörter in meinem Kopf beiseiteschieben und allein die Erinnerung an ihren Klang genießen.« Die Wachsamkeit durchzog ihn mittlerweile wie elektrischer Strom. Dieser warme, schön möblierte, weich beleuchtete Raum, in dem eine Violinaufnahme spielte und aus dem der Butler gerade das Geschirr eines bewundernswerten Rubinfruchtsoufflés abgetragen hatte, war eine sehr zerbrechliche Blase, um sich darin heimelig zu fühlen. Flandry ließ Curaçao über seine Zunge rollen und griff nach einer Zigarette.
Susette Lagard klimperte mit den Wimpern. »Sie sind solch ein Schatz!« Sie hatte schon einiges getrunken. »Findest du nicht auch, Martin? Müssen Sie uns wirklich schon in weniger als einer Woche verlassen?«
Flandry zuckte mit den Schultern. »Wie es aussieht, gibt Herausragender Bürger Lagard mir leider kaum einen Vorwand, noch länger zu bleiben.«
»Vielleicht finden wir etwas. Ich meine, Sie haben doch einen Ermessensspielraum, oder? Man würde doch einen Mann wie Sie nicht entsenden und an der Leine halten.«
»Wir werden sehen, Donna.« Er bedachte sie mit einem Blick, der genau bemessen viel sagte. Sie erwiderte ihn mit gleicher Münze. In dieser Hinsicht hatte der Wein ihre Selbstbeherrschung keineswegs beeinträchtigt.
Seine innere Erregung schlug halb in Sarkasmus, halb in mäßig interessierte Vorfreude um. Sie war auf dralle Weise attraktiv, was ihr tief ausgeschnittenes Shimmerlynkleid in einer Weise betonte, die am gegenwärtigen kaiserlichen Hof – dem Hof, den sie nie gesehen hatte – zu hochgezogenen Augenbrauen geführt hätte. Juwelen schimmerten in ihrem um ein rundes braunes Gesicht aufgetürmten schwarzen Haar. Während des Essens war sie immer lebhafter geworden, bis ihre Sätze das Plattitüdenhafte verloren.
Flandry kannte sie, wie er ihren Ehemann kannte, aus unzähligen Begegnungen: die Frau eines Beamten, der auf eine ferne Welt voller Nichtmenschen versetzt wurde. Gelegentlich bildete ein solches Paar ein Team. Öfter jedoch sah sich das Mitglied ohne Posten auf Gedeih und Verderb einer winzigen imperialen Gemeinde ausgeliefert – Jahr für Jahr die gleichen Häuser, Leiber, Wörter, Spiele, kleinlichen Intrigen und Streits. Er oder
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