Flandry 6: Schattenwelt
Gedankenschirm samt Energieversorgung, mein Freund. Nicht nur wirft das Feld vor dieser gefrorenen Klarheit eine Hässlichkeit in meinen Geist; ich wäre auch so froh, mit Ihnen in wahre Gemeinschaft zu treten.« Aycharaychs leises Lachen klang bedauernd. »Was kaum geschehen kann, es ist mir klar, solange Sie nicht auf meiner Seite sind.«
»Oder Sie auf meiner«, entgegnete Flandry.
»Und jeder Ihrer Leute, der vielleicht etwas weiß, das ich gern erfahren hätte, ist in gleicher Weise abgeschirmt. Erschwert dieser Apparat auf dem Kopf nicht das Schlafen? Ich möchte Sie auf alle Fälle warnen, die Geräte zu viele Tage hintereinander zu tragen. Selbst für eine Spezies wie die Ihre ist es schädlich, das Gehirn von den Energien abzuschneiden, die das Universum durchziehen, hinter einem Kraftschild, der für sich genommen Ihre Träume schon stören muss.«
»Ich sehe keinen Grund, weshalb wir bleiben sollten.«
Aycharaych sog die Dämpfe aus seinem Glas ein. Das Getränk hatte er noch nicht angerührt. »Ihre Gesellschaft wäre mir eine große Freude«, sagte er. »Aber ich verstehe schon. Es hält Sie in Atem, dieses Bewusstsein, dass der nächtige Tod in wenigen Jahrzehnten schon das bunte Spielbrett einklappt, auf dem Sie springen und andere Figuren schlagen.«
Er lehnte sich zurück, betrachtete einen Baum, den die Eiszapfen in ein Schmuckstück verwandelt hatten, und schwieg eine Weile. Flandry griff nach einer Zigarette, erinnerte sich, dass der Chereioner Tabakrauch nicht mochte, und begnügte sich mit einem tiefen Schluck aus dem Glas.
»Vielleicht liegt darin die Wurzel der Größe Ihrer Spezies«, sann Aycharaych. »Hätte ein unsterblicher Bach eine Matthäuspassion schreiben können? Hätte ein Rembrandt, der nichts von Sorge und Leid wusste und kein Bedürfnis nach Halt kannte, mit nur einigen Klecksen Farbe solches Leben erschaffen können? Hätte ein Du Fu ohne Verlust der Dichter sein können, der von toten Blättern spricht, die über den Schnee fliegen, davonziehenden Kranichen oder einem alten Papagei in seinem schäbigen Käfig? Welche Tiefe verleiht die Vorahnung des Todes Ihrer Liebe?«
Er wandte den Kopf und sah den Menschen an. In heitererem Ton fuhr er fort: »Nun ja. Da der arme Tachwyr gedemütigt gegangen ist – wie sehr hatte er sich auf die Sauce des Prahlens über seinem Abendessen gefreut! –, könnten wir offen sprechen. Wie sind Sie auf die Wahrheit gekommen?«
»Zum Teil war es eine Ahnung«, gestand Flandry. »Je mehr ich über die Nachricht nachdachte, desto mehr Spuren Ihres Stils fielen mir auf. Dann übernahm die Logik. Dass die Merseianer eine bestimmte Absicht verfolgten, wenn sie um ein Gespräch baten, das per se so wertlos ist wie dieses, war von vornherein offensichtlich. Es konnte lediglich ein Zeichen an uns sein, und der Versuch, mehr über das Regime zu erfahren, das Molitor installieren würde. Doch für diesen Zweck erschien das Ansinnen unbeholfen und unzureichend. Und warum solche Mühe auf sich nehmen, um mich hierherzuholen?
Nun, ich bin in hochrangige strategische Geheimnisse nicht eingeweiht, aber doch so dicht an Molitor, dass ich ein gewisses Maß an wichtigen Informationen kenne – die Sorte, die innerhalb eines Jahres überholt sein wird, doch wenn man sie rasch nutzt, könnte Merseia damit unseren Kessel länger auf dem Feuer halten. Und ich habe freiere Hand als irgendjemand, der ähnlich informiert ist; ich könnte definitiv kommen, wenn ich mich dazu entschiede. Und man könnte davon ausgehen, dass eine Einladung durch Tachwyr zumindest mein Interesse wecken dürfte.
Es war von Anfang an allein Ihre Idee, nicht wahr?«
Aycharaych nickte. Sein Kamm war ein Krummschwert vor der Milchstraße. »Ja«, sagte er. »Ich hatte bereits in dieser Gegend zu tun – negotium perambulants in tenebris, wenn Sie so wollen – und fand, mit dem Versuch nichts verlieren zu können. Wenigstens habe ich nun das Vergnügen, mit Ihnen einige Stunden verbringen zu können.«
»Danke. Allerdings …« Flandry suchte nach Worten. »Sie wissen, dass für mich Bescheidenheit in der gleichen Klasse rangiert wie Jungfräulichkeit – beides charmante Züge, die man so schnell loswerden sollte, wie die Pubertät es erlaubt. Dennoch … wieso mich, Aycharaych? Ergötzen Sie sich an der Tatsache, dass ich Sie zwar respektvoll, aber nachhaltig im ersten Augenblick töten würde, in dem sich mir eine Gelegenheit bietet? In dieser Hinsicht gibt es Hunderte wie mich.
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