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Flandry 6: Schattenwelt

Flandry 6: Schattenwelt

Titel: Flandry 6: Schattenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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auseinander und erlaubten einen Blick über die Hausdächer auf den Stoyansee, dessen metallisch heller, gekrauster Schimmer sich bis hinter die Rundung der Welt erstreckte. Gleich auf der anderen Seite des Platzes stand das Kapitol, eine ausladende, mit zahlreichen Säulengängen versehene Marmormasse unter einer vergoldeten Kuppel mit einem silbernen Stern am höchsten Punkt. Zwei Kilometer weiter erhob sich ein steiler Felsen und trug wie einen Helm die Bastionen und die Banner des Zamoks.
    Flandrys Blick flackerte. Er erkannte ein großes Hotel, Bürohäuser, Cafés, schicke Läden, alles antiquiert, aber würdevoll, der graue Stein pittoresk abgenutzt; wie viele Plätze der Verfassung hatte er im Leben schon gesehen? Dieser jedoch lag unter Wind, Kälte und rasch vorüberziehenden Wolkenschatten verlassen da. Sechs Milizionäre standen unter dem Vordach des Kapitols Wache, sechs unten an der Treppe; ihre Capes flatterten im Wind, ihre Gewehre funkelten auf, wann immer ein Sonnenstrahl sie traf, und wurden sofort wieder stumpf. Weit über dem Platz kreisten Flugzeuge. Außer den Neuankömmlingen war niemand in Sicht. Dennoch warteten mit Sicherheit Beobachter hinter den geschlossenen Türen, den leeren Fenstern: Ladeninhaber, Hausmeister, einige Polizisten vielleicht – wenige, weil die Unruhen sich in einem anderen Stadtbezirk abspielten und niemand hier mit Zwischenfällen rechnete. Wer noch? Flandry ging, als marschierte er durch ein Labyrinth aus Trugbildern. Nichts, was er spürte, war vollständig, nur der Strahlergriff, auf dem seine Hand ruhte, und die lose rötliche Haarlocke Kossaras.
    Sie hegte keine solchen Befürchtungen. Während sie auf den Platz traten, hörte er, wie sie ihm zuflüsterte: »Hier gehen wir, mein tapferer Geliebter. Von dir singen sie noch in tausend Jahren.«
    Er schob das Zögern aus seinen Gedanken und machte sich kampfbereit.
    Doch es entbrannte kein Kampf. Trotz allem, was sie ihm gesagt hatten, als die Aktion geplant wurde, hatte er mehr oder minder mit der gleichen Reaktion gerechnet, wie sie auf allen menschlichen Planeten zu erwarten stand, wenn ein Haufen von Demonstranten die Parlamentssitzung stürmen wollte – Verbot und Widerstand und dann entweder Aufruhr, oder eine von beiden Seiten gab nach. Wenn die Bürokratie nachgab, um einen Aufruhr zu verhindern, dann nur widerwillig, nach ausgedehnten Verhandlungen; und Protestler würden nur unter strengen Auflagen eingelassen, gut bewacht, und hatten indignierte Blicke zu erwarten.
    Dennitza hingegen hatte Vorgänge wie die Ispravka zwar nicht legalisiert, aber doch zur Institution gemacht. Dem Beamten, dem sie unterwegs begegnet waren, hatte Ywodh die Absicht seiner Gruppe erklärt. Die Nachricht war schnell bis zum Obersten Richter durchgedrungen. Vierhundert Zmayi, die behaupteten, die gesamte Obala zu vertreten, kamen nicht ohne guten Grund nach Zorkagrad; man konnte darauf vertrauen, dass sie sich benahmen und ihre Standpunkte nicht unangemessen lange darlegten; auf Kyrwedhins Betreiben hin gab eine Mehrheit im dritten Haus der Skuptschina ihrem Wunsch nach. Deshalb empfingen sie keine Waffen, von denen abgesehen, die das Wachkommando unter dem Befehl eines Corporals trugen, und sie durften ihre eigenen Waffen mit hineinnehmen.
    Die Treppe hinauf – durch Panzertüren, die an die Schwere Zeit erinnerten – durch ein Foyer, in dem jedes Geräusch widerhallte – in einen zentralen Saal, wo die gemeinsame Parlamentssitzung wartete – Flandrys Blick wanderte hin und her, suchte nach Bedrohung für die Frau, die er liebte, und Stellen, wo sie gegebenenfalls Deckung fand.
    Der Saal spannte die obere Hälfte eines Ellipsoids auf. Am hinteren Brennpunkt befand sich ein Podium mit dem Rednerpult des Gospodars, einem langen Schreibtisch und mehreren besetzten Stühlen. Links und rechts saßen auf mehreren ansteigenden Sitzreihen die Abgeordneten in weiten Abständen zueinander. Dachfenster mischten die Wechselhaftigkeit des Wetters mit der Beständigkeit der Fluoreszenzlampen und erweckten den Eindruck, der polierte Marmorfußboden rühre sich. Vergoldete Wandmalereien zeigten die Heiligen und Helden von Dennitza. Die Abgeordneten saßen nach Gruppen angeordnet, die Herren in regenbogenfarbigen Roben, das Volk in Jacke und Hose oder Kleidern, die Zmayi in Leder und Metall. Aus dem Freien kommend, schmeckte Flandry Furcht und Wut in der eingeatmeten Luft.
    Vor einem alten Mann in Schwarz, der hinter dem Rednerpult saß,

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