Flandry 6: Schattenwelt
hatten dafür gesorgt, dass man ihn zwischen den elektronischen Gespenstern allein ließ. Wer immer es an ihnen vorbeigeschafft hatte, musste respektheischend und überzeugend auftreten. Er winkte einem Sensor, die Tür zu öffnen und das Licht einzuschalten. Die Helligkeit schmerzte ihm in den Augen.
Eine schmale grüne Gestalt in weißem Kilt trat ein. Sie trug ein Tablett mit einer Teekanne, einer Tasse, Tellern und Schalen mit Essen. »Ihr Dinner, Sir«, verkündete Chives.
»Ich habe keinen Hunger«, sagte das Uhrwerk. »Ich habe nichts best …«
»Nein, Sir. Ich nahm mir die Freiheit.« Chives setzte seine Last auf dem Schreibtisch ab. »Gestatten Sie mir, Sie zu erinnern, dass wir auf Ihre körperliche Leistungsfähigkeit nicht verzichten können.«
»Also gut, Chives.« Flandry brachte etwas Suppe und Schwarzbrot herunter. Der Shalmuaner wartete unaufdringlich.
»Das hat gut getan«, stimmte der Terraner zu. »Weißt du was, gib mir die richtige Pille, vielleicht schlafe ich dann sogar.«
»Sie … das wünschen Sie im Augenblick vielleicht nicht, Sir.«
»Wie bitte?« Flandry sah ihn scharf an. Chives hatte an Haltung eingebüßt. Er stand mit gesenktem Kopf, den Schweif schlaff, die Hände fest verklammert: ein Bild des Elends.
»Sprich weiter«, sagte Flandry. »Zum Essen hast du mich gebracht. Also sprich.«
Die Stimme zerhackte die Wörter: »Es geht um die Navyangehörigen, Sir, die, wie Sie sich erinnern, von den Stadtbewohnern in Gewahrsam genommen wurden.«
»Richtig. Ich habe angeordnet, dass sie eingesperrt und gut behandelt werden, bis wir sie im Einzelnen vernehmen können. Was ist mit Ihnen?«
»Ich habe entdeckt, dass unter ihnen jemand ist, von dem ich während meiner Flucht feststellen konnte, dass er mehrere Tage zuvor in Zorkagrad eingetroffen war. Um offen zu sein, Sir, es bestätigte nur meinen Verdacht, dass es sich so verhalten könnte. Ich muss von jemandem denunziert worden sein, der Ihr Schnellboot am Hafen wiedererkannt und sich meine Zollakte beschafft hatte. Diese Erkenntnis muss ihn zu bestimmten Schlüssen und einer Entscheidung bewegt haben, wie wegen des Woiwoden Vymezal vorzugehen ist.«
»Nun?«
»Ich muss nicht betonen, dass ich keine spezifischen Vorwürfe erhebe, Sir. Die Schuld könnte auch jemand anders tragen als die Person, an die ich denke.«
»Nicht messbar wahrscheinlich bei den Bevölkerungsgrößen, mit denen wir es zu tun haben.« Unter der Dämpfung seiner künstlichen Gefühllosigkeit verkrampfte sich Flandry. »Wer ist es?«
Selten hatte er gesehen, wie Chives das Gesicht verzog. »Lieutenant Commander Dominic Hazeltine, Sir. Ihr Sohn.«
XVIII
Zwei Milizionäre begleiteten den Gefangenen in das Büro. »Sie können gehen«, sagte Flandry zu ihnen.
Sie starrten unsicher von ihm, der zusammengesunken vor der Nacht im Fenster stand, zu dem kräftigen jungen Mann, den sie bewachten. »Gehen Sie«, wiederholte Flandry. »Warten Sie draußen bei meinem Diener. Ich rufe ich Sie über Interkom, wenn ich Sie brauche.«
Sie salutierten und gehorchten. Flandry und Hazeltine musterten einander stumm, bis die Tür sich geschlossen hatte. Der Ältere sah eine kaiserliche Dienstuniform, noch immer frisch an aufrechter Gestalt, und ein Gesicht, das halb Persis gehörte und in dem der Stolz die Oberhand über die Angst bewahrte. Der Jüngere erblickte eine in einen schmutzigen Overall gekleidete ausgezehrte Gestalt.
»Nun«, sagte Flandry schließlich. Hazeltine reichte ihm die Hand. Flandry übersah sie. »Setz dich«, sagte er. »Etwas zu trinken?« Er wies auf Flasche und Gläser auf seinem Schreibtisch. »Ich erinnere mich, dass du Scotch magst.«
»Danke, Dad.« Hazeltine redete langsam, ohne das Krächzen, das aus der Kehle des anderen drang, und lächelte. Als sie sich, jeder ein Glas in der Hand, gesetzt hatten, lächelte er wieder. Er hob es und sagte: »Auf uns. Es gibt nur verdammt wenige wie uns, und die sind alle tot.«
Den alten Trinkspruch hatten sie zuvor oft benutzt. Diesmal erwiderte Flandry ihn nicht. Hazeltine beobachtete ihn einen Augenblick, verzog das Gesicht und trank. Dann erst trank auch Flandry.
Hazeltine beugte sich fort. Seine Stimme bebte. »Vater, du glaubst doch nicht diese Hirngespinste über mich. Oder?«
Flandry nahm das Zigarettenetui hervor. »Ich weiß nicht, was ich sonst glauben sollte.« Er klappte es auf. »Jemand, der Chives und die Hooligan erkannte, verriet ihn. Das Datum deiner Ankunft passt.« Er
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