Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)
was von … scheißwurscht!« Das Schneidemesser knallte in die Spüle, und das unangenehme Geräusch von Metall, das über Metall kratzte, schnitt warnend durch die Luft.
Elli wollte aufstehen und ihn beruhigen, doch Carlo beruhigte sich ganz von alleine wieder. Er ging zum Kühlschrank und nahm sich ein Bier. Allein der Gedanke an Alkohol verursachte bei Elli schon Übelkeit.
»Von wem? Geklaut von der Allgemeinheit. Ganz klar. Der Mann tritt die Solidargemeinschaft mit Füßen, sonst würde er das Geld ja wohl kaum verstecken.«
Carlo platzte endgültig der Kragen. »Hast du keine andern Sorgen? Sag? Ist dir der Schmarrn so wichtig? Das bisserl Geld? Was bringt dir das? Solidargemeinschaft. Ich hab vor ein paar Stunden mit deiner Freundin geschlafen. Ist dir des egal, oder was? Macht dir des nix aus? Du Spinner, du armseliger!«
Hilflose Wut lag in der Luft. Heiko blickte auf, und in seinem Gesicht stand die Furcht, dass es ihn als Nächsten treffen könnte. Umso erstaunlicher war es, wie ruhig und gelassen Lutz blieb.
»Mann, Mann, Mann, seid ihr alle konventionell und reaktionär. Du mit Tina, ja und? Da bist du nicht der Erste. Und sicher nicht der Letzte. Ich besitze Tina doch nicht. Im Gegenteil. Ist doch total wichtig, dass sie ihre Erfahrungen macht und ihre Libido nicht unterdrückt. Was soll denn immer nur dieser ganze Druck? Das hält doch kein Mensch aus.«
Damit nahm er Carlo den Wind aus den Segeln. Keine Spur von Verletzung und Eifersucht. Wer konnte ahnen, dass Lutz die Sache so locker nahm. Auch Elli war perplex.
Carlo ballte die Faust und ging wieder an sein Schneidebrett, mit dem Rücken zu den anderen.
Lutz machte weiter: »Aggression. Aggression statt Liebe. Das ist doch das einzige Ergebnis von Zwang, Frust und Gewalt. Ne, dafür lieb ich Tina viel zu sehr.«
Kopfschüttelnd rührte Carlo in dem großen silbernen Topf. Elli tippte auf eine deftige Kartoffelsuppe.
»Das ist nun wirklich nicht das siebte Weltwunder, das ich hier verkünde. Damit sind schon ganz andere vor uns glücklich geworden.«
Carlo drehte sich wieder, mit dem Messer in der Hand, zu Lutz. »Und du? Du bist also glücklich?«
»Ja, Carlo, ich bin glücklich!«
Carlo schlug die Hände über dem Kopf zusammen und sagte zu Elli: »Hörst du des? Ich bums seine Freundin, und er ist glücklich.«
Carlo verstand die Welt nicht mehr.
»Bleibt die Frage, wie wir mit dem Geld und unserem neuen Vermieter verfahren?« Lutz war das Geld eindeutig wichtiger.
Wo war Saalfeld eigentlich, fragte sich Elli verwundert. Dafür, dass er anfangs so resolut aufgetreten war, war es nun seltsam still um ihn.
»Ich bin dafür, wir behalten es und spenden es für einen guten Zweck. Als ausgleichende Gerechtigkeit sozusagen.«
Elli lehnte sich amüsiert zurück. Dieser Lutz war ein Knaller.
»Eine schöne Idee! Muss ich schon sagen. Aber wenn, sollten wir mit Saalfeld reden. Er sollte es freiwillig tun. Meinst du nicht?« Elli war sogar erleichtert, dass es erneut um das Geld ging. »Mal ehrlich, wer einen Dieb beklaut, ist immer noch ein Dieb. Außerdem spekulierst du nur.«
Im Hintergrund sah Elli Anna vorbeihuschen. Als sie in die Halle kam, stand Anna dort mit gepackten Koffern.
»Anna, wo willst du hin?«
Sie sah relativ gefasst aus, aber Elli kannte sie zu gut. Auch Anna schämte sich.
»Fast wollt ich sagen, nach Hause. Aber zu Hause? Wo ist das schon?« Anna stellte die Koffer ab und holte Luft. »Keine Ahnung, Elli. Irgendwohin. Hauptsache weg von hier. Vielleicht flieg ich direkt nach London.«
Die beiden Frauen standen sich gegenüber. Es hätte keinen Zweck gehabt, Anna aufzuhalten. Das war Elli sofort klar. Trotzdem versuchte sie es. »Meine Liebe, die Dinge zu überstürzen, das hat noch nie was gebracht. Ihr müsst reden. Das weißt du!«
Ja, Anna wusste, dass Elli recht hatte, aber ihr fehlte schlicht und einfach die Kraft. Reden. Reden. Ihr ganzes Leben lang musste sie immer nur reden. Wer sagte ihr eigentlich, dass Taten nicht besser waren? Anna sprach leise. »Weißt du, letzte Nacht …«
Doch Elli unterbrach sie. »Letzte Nacht waren alle verrückt. Mit dem wirklichen Leben? Damit hat das nix zu tun.«
»Hör mir zu! Letzte Nacht, vielleicht war es sogar gut so. Auf irgendeine perverse Weise. Vielleicht waren es gerade unsere Taten und nicht das ständige Palavern, die uns allen die Augen geöffnet haben.«
»Na klar, wir schmeißen alle ein paar Drogen ein, schon kommt die Wahrheit auf den Tisch!
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