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Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)

Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)

Titel: Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Friedmann
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sich beruhigt haben.«
    »Mit dem BMW, das hat keinen Sinn. Selbst, wenn ich wollte. Des machen die Bremsen nicht mehr mit. Ich muss warten«, brach Carlo sein Schweigen.
    »Diese blöde alte Karre!«, fluchte Anna plötzlich. Sie schnaufte überfordert auf und verzog sich ins Wohnzimmer.
    War denn das die Möglichkeit? Saalfeld verlor langsam die Geduld. Das Atmen fiel ihm plötzlich wieder schwerer, und die wenige Kraft verließ seinen Körper. Dafür setzten die Schmerzen wieder ein. Auf der Suche nach den rettenden Tabletten tastete er sein Sakko ab. Er versuchte seine Atmung wieder unter Kontrolle zu bekommen. Erleichtert spürte er, dass es ihm gelang. Dennoch schauten ihn seine ungebetenen Gäste besorgt an.
    »Herr Saalfeld! Ist alles in Ordnung?«, fragte Elli, denn sie sah, dass der Mann mit sich und mit seinem Körper kämpfte.
    »Was? Wie?« Saalfeld schaute sie fragend an. »Ja, ja. Was soll die Frage?«
    »Meine Meinung? Det hat sich so richtig eingeregnet. Det kann dauern.« Tina nahm einen Schluck Rotwein, nachdem sie symbolisch in die Runde geprostet hatte.
    Es hatte etwas von Galgenhumor. Elli war erstaunt darüber, dass Tina schon wieder fröhlich trank.
    In diesem Moment schloss Saalfeld die Augen, schwankte und wäre kopfüber auf den Steinboden geknallt, hätte ihn Carlo nicht in allerletzter Sekunde aufgefangen.

10. Kapitel
    »Hallo! Herr Saalfeld! Hören Sie mich?«, fragte Sandra.
    Während die Böen dicke Regentropfen gegen die Fenster peitschten, die vor der ungewöhnlichen Kraft der Natur erzitterten, hielt Sandra Saalfelds Kopf in der einen und ein nasses Tuch in der anderen Hand. Draußen lieferten sich die entfesselten Gewalten einen gnadenlosen Kampf. Hier drinnen, in Saalfelds Zimmer, lag der alte Mann beinahe leblos auf dem Bett und atmete schwer und mit viel zu langen Pausen. Keine Spur von Kampf. Sandra machte sich Sorgen. Elli solle noch einmal versuchen, den Dottore zu erreichen. Doch das hatte sie bereits mehrmals erfolglos getan. Sie bekam kein Netz. Kein Empfang. Sie hatten keine Verbindung mehr zur Außenwelt. Nur ein kleiner Weltempfänger, den Lutz in Saalfelds Zimmer, das er neugierig unter die Lupe genommen hatte, gefunden hatte, gab ihnen das Gefühl von Kontakt zum Rest der Menschheit.
    Heiko hatte mit seinem Auto Hilfe holen wollen, doch dann hatten sie bemerkt, dass nicht nur die gesamte Auffahrt von einem gefährlichen Sturzbach um- und unterspült wurde, sondern dass eine große Kiefer oder Pinie umgestürzt war und quer über der Straße lag.
    »Was hat er denn?«, fragte Lutz nervös.
    Heiko war mindestens genauso beunruhigt, aber er brachte es nicht fertig, Sandra direkt anzusprechen.
    Die drei Männer standen, aufgereiht wie die Orgelpfeifen, unschlüssig an der anderen Seite des Betts. Sie wussten nicht, was man in so einer Lage am besten tun sollte.
    Elli stand neben Sandra und reichte ihr zwei neue kalte Lappen. Sie legte ihre Hand auf Sandras Rücken, um ihr wenigstens irgendeine Form von Beistand zu geben. Ein Haus bauen und wieder in seine Einzelteile zerlegen, das konnte sie, aber einen kranken, schwachen Menschen verarzten, das überstieg schon im Ansatz ihre Fähigkeiten. Sie war Ingenieurin, keine Ärztin. Zahlen und physikalische Kräfte, Maßstab und Proportionen, Material und Ästhetik, Wegeführung und Raumaufteilung, bei all dem war sie fast unschlagbar. Der menschliche Körper dagegen mit all seinen unglaublichen Abläufen, seiner natürlichen Perfektion, seiner Verletzlichkeit, seinen Krankheiten, Bakterien, Viren, Infektionen, Flüssigkeiten, das war für Elli ein absolut fremdes Universum, eher abschreckend als faszinierend. Allein der Gedanke, mit einem Skalpell die Haut eines Menschen einzuritzen, war für Elli unvorstellbar. Elli war hilflos, und daher bewunderte sie umso mehr Sandra und die Ruhe, die diese bewahrte. Der Dottore kam ihr wieder in den Sinn. Schlagartig wurde ihr warm ums Herz. Er war einer von denen, die allein durch ihre Präsenz dazu beitrugen, dass man wieder gesund wurde. Hatte das Unwetter auch ihn abgeschnitten? Elli ermahnte sich, nicht unnötig in Panik zu geraten. Mit bangem Blick sah sie wieder zu Sandra, die immer noch vergeblich gegen Saalfelds Bewusstlosigkeit ankämpfte.
    Tina blieb cool. Sie war in der Küche geblieben. »Der wird det schon schaffen. Wenn icke daneben steh, dann wird det och nich besser.« Nein, sie zog es vor, zu ihrem vollmundigen Rotwein einen beinahe ebenso ausgereiften Joint zu rauchen.

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