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Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)

Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)

Titel: Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Friedmann
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dagegen unternehmen. Einem Fremden konnte man leicht die härtesten Worte an den Kopf werfen, ihm wünschen, dass er für all seine Taten zur Rechenschaft gezogen würde. Noch leichter ließ sich das niederschreiben, in die geduldige Tastatur tippen, in sein Enthüllungswerk. Aber im gleichen Raum zu sein, mit eigenen Augen zu sehen, ja sogar zu riechen, wie gnadenlos, brutal und unbeirrbar der Tod sein Recht einforderte, das war für Lutz unvorstellbar gewesen. Bis heute. Alle Theorie war wertlos geworden. Lutz schämte sich für sich und für alles, was er in den letzten Jahren gemacht hatte. Er hatte beinahe das Gefühl, selbst zu sterben.
    Im Hintergrund hörte er Saalfeld leiden und vor Schmerzen stöhnen.

12. Kapitel
    Das 21. Jahrhundert hatte die Menschheit endlich in eine friedlichere Welt führen sollen, aber es hatte sich schnell als mindestens ebenso gefährlich herausgestellt wie seine unter diesem Aspekt so enttäuschenden Vorgänger.
    Nicht zuletzt deshalb hatte man auch in den wohlbehüteten Vorstädten der westlichen Welt damit begonnen aufzurüsten. Passend zu all den anderen intelligenten Abwehrmaßnahmen gegen den überall drohenden Terror und die ständigen Gefahren des fragilen, hochmodernen Lebens, gab es superintelligente Überwachungskameras, immer raffiniertere Sicherheitsschranken und die faszinierende Möglichkeit, Computer auf der ganzen Welt heimlich zu durchstöbern. Hightech überall.
    Auch die Hausfrauen und Mütter wollten ihren Beitrag leisten und tauschten deshalb ihre gefährlich harmlosen Zweitwagen endlich gegen Autos aus, mit denen man jederzeit in die Offensive gehen konnte. Einem echten Offroader stellte sich wenig in den Weg. Der machte sich die Natur untertan.
    Carlo und Heiko allerdings stellte sich einiges in den Weg.
    Wie oft hatte sich Carlo über die Ehefrauen lustig gemacht, die die gefahrenreiche Strecke von ihrer Villa in Bogenhausen bis zur Maximilianstraße nur im Porsche Turbo Cayenne auf sich nehmen wollten und dann beim Einparken mit ihren hochgezüchteten PS-Monstern stets verzweifelten.
    Jetzt aber hätte er alles für genau so einen Geländewagen gegeben. Noch lieber wäre ihm der gute alte Unimog gewesen, der einzige Wagen, der selbst noch im Dschungel und tiefsten Schlamm die 45 Grad meisterte.
    Aber alles, was ihm zur Verfügung stand, waren altersschwache siebzig Pferdestärken unter der Haube eines museumsreifen VW-Busses. Und vor ihnen breitete sich ein undurchdringliches, rabenschwarzes, überschwemmtes Inferno aus. Gleich am Anfang lag die umgestürzte Pinie. Carlo sah nur eine Möglichkeit. Sie mussten versuchen, den Baumstamm langsam mit dem Bus zur Seite zu schieben.
    Doch die Zeichen standen schlecht für sie. Bevor sie den Baum überhaupt bewegen konnten, mussten sie erst einmal den Motor starten, und schon das wollte Carlo nicht gelingen. Der Motor röchelte zwar schwach, aber er schien mindestens genauso vom Regen durchtränkt wie der Rest der Welt. Erst als Heiko sein Glück versuchte, fand die Zündung die nötige Kraft, und sie fuhren auf ihr erstes Hindernis zu.
    Langsam rollten sie immer näher an den Baum heran. Erst kratzten Nadeln und Zweige am verblichenen Lack und dem dünnen Blech, dann brachen die ersten kleinen Äste. Geschickt manövrierend, fand Heiko eine Lücke, so dass sie jetzt mit dem großen VW-Logo auf der Kühlerhaube direkt den Stamm der Pinie berührten. Beide Männer beugten sich nach vorne und legten ihre Stirn an die nasskalte Windschutzscheibe, um zu sehen, wo genau der Wagen gegen den Baum stieß. Sachte stieg Heiko auf das Gaspedal, der Motor heulte immer stärker auf. Nur der sture Baum bewegte sich kein Stück vom Fleck. Der Stamm mochte noch so dünn und vom Wind gebrochen vor ihnen liegen, er war trotzdem viele hundert Kilo schwer. Heiko stieg immer fester in die Eisen, wohlwissend, dass sich gleichzeitig die Räder immer tiefer in den Kies gruben. Der Lärm war ohrenbetäubend.
    Beide Männer waren bereits komplett durchnässt, vom Schweiß und vom Dampf im Auto. Dann bewegte sich der Baum. Endlich. Erst nur wenige Zentimeter, dann aber gab er mehr und mehr nach. Heiko wollte schon jubeln, als sich der Baum wieder verkeilte. Erneut standen sie bewegungslos auf der Stelle. Mit beiden Händen krallte sich Heiko fest an das große, horizontal angebrachte Lenkrad. Der Motor war am absoluten Limit. Plötzlich hämmerte Heiko wie ein Lastwagenfahrer den Rückwärtsgang rein und setzte abrupt zurück. Erneut

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