Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)
meinst du?«
Anna sah überhaupt nicht ein, warum sie auch nur einen Millimeter zurückweichen sollte. Mit strengem Blick ging sie zu Heiko.
»Tja, Sportsfreund, alles schön und gut, aber da hat Sie wohl jemand reingelegt«, erklärte sie Heiko. »Sie sollten sich Ihre Anzahlung schnellstens wieder holen, sonst sehen Sie das Geld nie wieder!«
»Oh, danke für den tollen Tipp. Aber wir haben alles schon komplett bezahlt. Also danke, ihr könnt uns gerne mal hier besuchen. Bis dahin, ciao und buon giorno!«
Anna traute ihren Ohren nicht. »Wir haben auch bezahlt, vor Wochen, und zwar mit Westmark!«
»Wie witzig! Trotzdem waren wir als Erster da.«
»Als Erster? Ha! Ich hab schon in Italien Cappuccino geschlürft, da wurde euch noch verklickert, Cappuccino sei ein kommunistischer Bruderstaat in der Karibik.«
»Ach ja? Wir haben uns am Strand von Rügen mit Cuba Libre abgekühlt und zugesehen, wie eure lahmen Sportler unseren Goldgewinnern bei Olympia hinterhergehumpelt sind! So sieht’s aus!«
In einem irren Tempo schaukelten sich die beiden gegenseitig hoch und ließen sich dabei von niemandem aufhalten. Ihr Wortgefecht nahm immer absurdere Züge an.
Carlo und Sandra hatten schon längst auf einer kleinen, ehemals weißlackierten Bank Platz genommen, deren Holz unter Carlos massigem Körper ächzte, und sie verfolgten wie Tenniszuschauer das Match der beiden.
»Der Vermieter hat euch Rentner einfach reingelegt.«
»Mich legt keiner rein. Im Gegenteil! Willkommen im Kapitalismus, Stasifreundchen!«, schlug ihm Anna gnadenlos um die Ohren.
»Du kennst wohl eure eigenen Spielregeln nicht, Madame!«
»Pass mal auf, Volksgenösschen, ich bin Wirtschaftsanwältin. Ich treibe dich gerne in den privaten Bankrott, mal so nebenbei. Free of charge!«
»Gerne! Meine Versicherung hat bis jetzt noch jeden Prozess gewonnen. Das ist nämlich ein Weltkonzern, Schätzchen.«
Carlo hätte gerne eingegriffen, denn die beiden machten sich zunehmend lächerlich. Aber Anna war in Fahrt, und da war sie nicht zu bremsen, von niemandem.
Sandra sah leicht belustigt zu Carlo. »Ich bin übrigens Krankenschwester, falls es Verletzte geben sollte. Aber du weißt ja, Hunde, die bellen, die beißen nicht.«
»Da wär ich mir nicht so sicher.«
»Na ja, Heiko hat schon so eine Gabe.«
»Und was schlägst du vor?«
»Na Urlaub machen, ganz einfach«, sagte Sandra. »Wenn sich die beiden beruhigt haben.«
Nur, danach sah es nun wirklich nicht aus.
»Du kannst deinen Soli gerne zurückhaben«, schimpfte Heiko.
»Wunderbar! Aber die gelben Bananen lass ich dir. Eure waren ja grün und aus Kuba, wenn überhaupt.«
Plötzlich verstummte der bizarre Disput, denn alle hörten ein neues Geräusch. Es klang wie ein Motor oder eine Motorsäge. Oder war es ein Traktor? Dann erschien der hellblaue VW-Bus mit Tina und Lutz hinter dem Steuer. Offenbar völlig am Ende seiner Kräfte röchelte er auf den Hof. Die Fenster waren heruntergekurbelt, so dass die lauten indischen Dancebeats, auf die Tina so stand und die sie stundenlang hören konnte, die idyllische Szenerie völlig neu untermalten. Auch die Bremse des betagten Hippiemobils pfiff aus dem letzten Loch, und so kamen sie schließlich nur ganz knapp zwischen dem alten BMW und dem nagelneuen Audi zum Stehen.
Sollten sich die anderen ruhig streiten, dachte sich Elli, während sie eine seltene Kaktusblüte, die sie gerade entdeckt hatte, genauer unter die Lupe nahm. Sie jedenfalls würde sich aus alldem heraushalten. Meinungsverschiedenheiten, Vorwürfe, böse Worte und Beleidigungen, von alldem hatte sie in den letzten Jahren wahrhaft genug gehabt. Nein, die neue Elli wollte sich so schnell nicht mehr aus der Ruhe bringen lassen.
Viel lieber schloss sie die Augen und ließ sich von den vielen fremden und doch wieder allzu vertrauten Düften umgarnen, die in der Luft lagen. Sie nahm Lavendel wahr, darunter lag eine zarte Wolke von trockenem Zedernholz und Kiefern, oder waren es Pinien? Auch Rosmarin und Thymian glaubte sie kurz zu erahnen, aber je mehr sie sich dem Rausch der Düfte hingab, umso verwirrender wurde es. Bald konnte sie nichts mehr voneinander unterscheiden, und hätte sie jemand gefragt, sie hätte nur antworten können, sie sei eingetaucht in ein träumerisches Feuerwerk der Düfte, wie es sich nur ein später Sommernachmittag in Italien ausdenken konnte.
Dann hörte sie das bemitleidenswerte Blubbern eines alten Motors. Der Gestank von Öl und Abgasdunst machte sich
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