Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)
Kofferjob herunter.
Heiko wurde nervös. Die blöde Emanzipation, eines von Heikos Lieblingsthemen und eigentlich immer bestens geeignet zur schnellen Verbrüderung unter Männern, zündete bei diesem Weichei nicht. Er versuchte es mit einem neuen Thema: »Wow! Schicke Taschen!«
Lutz war verwirrt. Taschen? Was sollte der Quatsch nun wieder?
»Vintage Look? Klasse! Seh ich sofort. Waren bestimmt sehr teuer?«
Lutz wollte etwas sagen, aber Heiko war nicht mehr zu bremsen.
»Understatement hat mir schon immer imponiert. Das hat Stil! Einfach nicht zeigen, was man hat.«
»Materielle Dinge, Design, der ganz Mist, das bedeutet mir nicht da Geringste. Gar nichts. Für wen hältst du mich eigentlich?«, entgegnete Lutz sichtlich genervt.
Arschloch, dachte Heiko. Da ist man einmal nett, und schon bekommt man einen Vortrag von so einem Öko-Klugscheißer.
Heiko öffnete den Kofferraumdeckel des Audis und wuchtete ihr Gepäck heraus, mehrere nagelneue Koffer, allesamt knallrot mit Label-Aufdruck und nicht zu übersehen teuer. Dann sah er Lutz an und seufzte: »Tja, mir ja eigentlich auch nicht, aber leider hab ich einfach einen exklusiven Geschmack.«
Gereizt bis zum Haaransatz, nahm Lutz das Großmaul ins Visier. Für einen kurzen Moment wünschte sich Lutz an einer Klippe zum Meer und sah sich, die geschmackvollen Koffer von diesem neureichen Idioten in den Ozean pfeffern, und am besten Heiko gleich mit. Lutz riss sich zusammen. Dann sagte er trocken: »Hör mal, ich weiß doch genau, was hier gespielt wird! Du kannst aufhören, mir was vorzumachen. Außerdem bist du leider ein miserabler Schauspieler.«
Heiko verstand kein Wort.
In dieser Küche war ihr Bruderherz bestens aufgehoben, da war Elli sich ganz sicher. Amüsiert betrachtete sie Carlo, wie er glücklicher als ein kleines Kind an Weihnachten durch die umfangreiche Gewürzsammlung stöberte. Jedes Gewürz in einem tiefbraunen, dicken Kristallglas mit eingravierten blumigen Motiven aufbewahrt und allesamt fein säuberlich mit einem handgeschriebenen Etikett versehen. Das waren regelrechte Antiquitäten.
Elli konnte Carlo wunderbar sich selbst überlassen.
Sie dagegen war besonders neugierig auf den Rest des Hauses. »Villa Duchessa« hatte jemand vor vielen Jahren mit römischen Lettern unten am Tor in eine beige Kalksteinplatte gemeißelt. Elli schätzte, dass sich ein reicher Unternehmer aus Mailand die Villa noch vor dem Ersten Weltkrieg als Ferienhaus für Familie und Freunde hatte bauen lassen. Alles in dem Haus zeugte von einem sicheren Instinkt für Eleganz und Geschmack.
Im Erdgeschoss fand man, wie üblich, die Gesellschaftsräume. Ein weitläufiges Wohnzimmer, das sich L-förmig von der linken Seite fast über die ganze Rückfront erstreckte. Daran anschließend ein helles Esszimmer, mit ebenso herrlichem Blick auf den Garten wie das Wohnzimmer. Daneben Carlos neues Reich, die Küche.
Empfangen wurde man von einem kleinen Foyer, von dem aus eine große Treppe aus Stein nach oben, zu den privaten Zimmern, führte. Wie viele schöne Frauen mögen schon auf ihr hinabgeschwebt sein und hatten dabei ausgesehen wie eine anbetungswürdige Filmdiva? Und wie viele verliebte Pärchen wiederum auf ihr hinauf zu einer leidenschaftlichen Nacht?
Die drei Pärchen hier, mit denen Elli aller Voraussicht nach den Abend verbringen würde, hatten da höchstwahrscheinlich weniger Glück. Flitterwochen waren etwas anderes. Und ein gelungenes Blind-Date auch. Na ja, sie würden sich schon nicht zerfleischen.
Aber ihren ersten Urlaubsabend hatten sich sicher alle anders vorgestellt. Eine hemmungslose Nacht unter dem Dach einer italienischen Villa, fernab von der verregneten deutschen Realität. Wer würde sich da nicht gerne verführen lassen und verführen? Aber irgendjemand hat allen einen gehörigen Strich durch die Rechnung gemacht. Dreifach abzukassieren, dazu gehörte schon eine erstaunliche Chuzpe.
Elli konnte das nichts anhaben. Sie war frei, konnte sich treiben lassen und in Ruhe mit ansehen, wie die Damen und Herren diese amüsante Herausforderung nun zu meistern versuchten. Bei allen drei Pärchen hing der Haussegen schief. Das konnte man mit verbundenen Augen sehen, auch wenn sie selbst dafür bestimmt relativ blind waren. Das war immer so, wenn man mittendrin steckte. Es war einfach schwer, zu sehen und vor allem sich einzugestehen, dass der Lack ab war. Davon konnte sie ein Lied singen.
Jetzt war sie also seit zwei Tagen Single. Wie sich das
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