Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)
Leckereien hatte er sie bis jetzt noch immer weichgekocht. Er schmunzelte über sein leider simples Wortspiel. Das hatte Heiko-Qualität!
Während sich hinter ihm Lutz und Tina auch mit Wein versorgten, kam ihm ein neuer Gedanke. Er fragte sich, ob vielleicht heute Abend der richtige Abend wäre, um Annas Hand anzuhalten. Mit einem Mal fand er das wahnsinnig romantisch. Unter Umständen wäre es hier in der Villa, vor Zeugen, viel charmanter als ganz alleine, zu zweit in einem Restaurant am Gardasee. Wer wusste schon, wie viele Anträge der gesehen hatte? Plötzlich kam ihm die Szenerie am See unglaublich kitschig vor, wie in einem billigen Groschenroman. Sein Entschluss nahm weiter Gestalt an, die günstige Gelegenheit heute Abend beim Schopfe zu packen.
Da erschien ihnen Elli. Und sie war eine Erscheinung, buchstäblich. Offenbar hatten die Frauen die unausgesprochene Abmachung getroffen, sich zur Feier des Abends gehörig in Schale zu werfen. Frauen haben immer eine heimliche Konkurrenz, ob sie dazu stehen oder nicht. Das hatten sie einfach einprogrammiert, genetisch. Sicher auch Elli, denn sie hatte es ganz offensichtlich darauf angelegt, den anderen die Sprache zu verschlagen. Volltreffer. Er war stolz auf seine Schwester.
»Also jetzt fühl ich mich endgültig underdressed«, sagte Heiko, der immer noch sein schräges Hemd trug.
Elli betrachtete ihn in seinen lächerlichen Dschungelprinzen-Klamotten und wunderte sich: »Ich weiß ja nicht recht, ob ich das als Kompliment verstehen soll?«
Auch Lutz konnte sein Staunen nicht verbergen. »Da hat aber jemand seine Beute krisensicher angelegt.«
Sofort korrigierte Heiko ihn. »Also Beute? Beute is ja wohl ein bisschen übertrieben. Schön sachlich bleiben, Robin Hood.«
»Ist Lutz der Rächer der Vogelfreien?«, fragte Elli.
»Ha genau! Der neue Angstgegner der Freimaurer«, sagte Heiko und referierte kurz über das, was Lutz ihm nachmittags im Café dargelegt hatte, wobei er so ziemlich alles durcheinanderbrachte.
»Du musst wissen, Elli, es läuft eine ganz gemeine Verschwörung gegen die Welt, und wenn die bösen, bösen Hintermänner nur leise husten, ja, dann müssen wir kleinen Marionetten bald alle dran glauben. Stimmt’s, Genosse?«
Lutz schüttelte nur den Kopf. »Du triffst mal wieder den Nagel auf den Kopf. Kanonenfutter.«
Für einen kurzen Moment überließ Carlo den Herd sich selbst und musterte seine Schwester. So elegant herausgeputzt hatte er sie schon lange nicht mehr gesehen. Wer stand da vor ihm? Coco Chanel? Eine matt glänzende schwarze Bundfaltenhose im Stil der dreißiger Jahre, weiße Bluse mit einem Kragen, aus dem andere ein ganzes Hemd hätten schneidern können, und darüber eine dunkle, ärmellose Seidenweste. Ihr Haar war wie bei einer dieser jungen Fernsehmoderatorinnen leicht aufgeföhnt. Man mochte glauben, sie würde heute noch ausgehen, in eine edle Bar in Rom. Carlo kannte seine Schwester und wettete, dass sie sich mit einem kühlen Weißwein nichtzufrieden geben würde. Ein Cocktail, am besten einen Cosmopolitan, das war das Mindeste, was sie verdiente. Es freute ihn, mit ansehen zu dürfen, wie sie zu ihrer alten Klasse zurückfand.
Zielstrebig ging Elli zum Kühlschrank, und als sie sich vergewissert hatte, dass auf ihren Bruder Verlass war, lobte sie ihn. »Gut eingekauft!« Sie nahm sich eines der großen Kristallgläser, die eigentlich für Wasser gedacht waren, würfelte Eis hinein, presste gekonnt geviertelte Limetten darauf aus: »Oh, wir haben ja sogar an die Minze gedacht«, und füllte eine ordentliche Ladung Bombay Gin in das Glas, ohne sich dabei weiter um die anderen zu kümmern. Erst als sie ihren Longdrink mit Tonic aufgewirbelt und professionell zur Vollendung gebracht hatte, wandte Elli sich wieder den Jungs zu.
»Möchte noch jemand ein kleines Erfrischungsgetränk? Gin Tonic! Glaubt mir, das ist die einzige Chance, dieser heißen Nacht erhobenen Hauptes entgegenzutreten. In diesem Sinne: To the Queen!«
Für diesen gelungenen Auftritt konnte man sie nur bewundern. Das hatte Elli von ihrer Mutter geerbt. Wenn es Mutter Mangold danach gewesen war, dann konnte sie mit ihrer Aura ein harmloses Schwabinger Wohnzimmer in einen Pariser Salon verwandeln. Carlo selbst war eher nach seinem Vater gekommen, Biergarten statt Salon.
»Ja, ich probier mal so einen, bitte!«, sagte Lutz.
Carlo fiel auf, dass der Berliner seinen Weißwein erstaunlich schnell geleert hatte.
»Passt zu dir nicht eher Rum aus
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