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Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)

Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)

Titel: Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Friedmann
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Kuba? Schön sozialistisch?«, ärgerte Heiko seinen neuen Klassenfeind.
    Heiko hatte sich also auf Lutz eingeschossen. Carlo bedauerte, dass seine Küchenhilfe wieder in seine alte Rolle verfiel. Hoffentlich wurde das nicht wieder anstrengend.
    »Wir werden sehen, wem heute zuerst die Luft ausgeht«, sagte Lutz.
    Anna und Sandra hatten gutes Gespür bewiesen, denn in der Tat fanden sich im Esszimmer, in einem Schrank aus massivem Kirschholz, unzählige Tischdecken, Kerzenleuchter und dazu feinstes Geschirr, dünnes Porzellan mit verblassendem Silberrand. Damit ließ sich was anfangen.
    »Was kocht denn dein Carlo da Leckeres für uns?«, fragte Sandra.
    »Oh, wenn der erst einmal angefangen hat, dann ist er nicht mehr zu bremsen. Mach dich auf was gefasst!«
    »Gibt Schlimmeres, oder?«
    »Zu Hause kocht Carlo einmal im Monat für ein paar Freunde von uns, so acht bis zehn Leute. Einer ist Koch, hat ein kleines, feines Restaurant in Bogenhausen, Geheimtipp. Jedes Mal kündigt er aufs Neue an, nie wieder zu kommen und sich einen neuen Beruf zu suchen, weil Carlo einfach zu gut sei. Und er meint es ernst. Aber dann ist die Neugierde wieder stärker.«
    »Du Glückliche! Heikos Spezialität is Fertigpizza. Spinat. Zur Verfeinerung legt er dann immer noch zusätzlich gefrorenen Spinat drauf. Das ist sein Geheimrezept.«
    »Dein Freund scheint viele Talente zu haben.«
    »Klar«, sagte Sandra, »und Kochen ist ganz weit vorne.«
    Vorsichtig vermieden sie die Stelle, an der Anna beinahe ihrer Sehne auf Wiedersehen gesagt hätte und unter der jetzt wieder das Geld verborgen lag. Trotzdem wäre Sandra schon zweimal fast in die Goldgrube gefallen.
    »Wir sollten das zunageln. Ist ne richtige Bärenfalle.«
    Anna gab ihr recht. Zunageln und vergessen. Allerdings sei Heiko davon sicher am wenigsten begeistert.
    »Ach, der spinnt ja! Der und sein Geld!« Sicher, auch ihr habe der Ausflug nach Brescia großen Spaß gemacht. Aber dennoch, sie fühle sich ein bisschen wie eine Diebin, gestand Sandra.
    »Das nervt mich. Die ganze Nummer mit dem Geld nervt mich. Heiko nervt mich. Unter uns, ich bin froh, dass ich nicht mit ihm allein sein muss. Mit euch hier im Haus, das macht mir viel mehr Spaß.«
    Anna sah das immer noch ein wenig anders, aber das wollte sie Sandra nicht so direkt sagen. Außerdem war sie nach dem Ärger mit dem Fuß ihre Rettung gewesen.
    »Klingt ja nach ner richtig glücklichen Beziehung.« Anna konnte sich den Spruch nicht verkneifen.
    »Weißt du, Heiko is noch so jung. Wir alle, wir sind noch so jung.«
    Wie sollte Anna das jetzt verstehen? Das klang reichlich seltsam aus Sandras Mund, oder?
    Beide pendelten zwischen dem Tisch, der langsam Gestalt annahm, und dem Schrank, ihrer Schatzkammer, hin und her und kamen sich nicht eine Sekunde in die Quere. Man konnte meinen, sie würden das jeden Abend machen.
    »Ich will nicht irgendwie altklug klingen«, fuhr Sandra fort, »passt nicht zu mir. Is mir schon klar. Trotzdem, meine Arbeit, im Krankenhaus. Da siehst du Dinge. Das verändert einfach die Perspektive, auf sehr brutale, aber ehrliche Weise.«
    Anna musterte Sandra, die alles Geschirr aufmerksam zurechtrückte. Sie stellte sich die Krankenschwester Sandra vor, die sich unter größtem Stress um so viele unterschiedliche Menschen kümmern musste und sicher immer sehr gewissenhaft und hochkonzentriert bei der Sache war. Anna fing an, Respekt vor ihr zu haben, denn mit ihrem Aussehen hätte Sandra es sich sicherlich um vieles einfacher machen können. Allein Annas millionenschwere, bonusversaute Kollegen in London hätten Sandra, ohne zu zögern, eine Welt zu Füßen gelegt, von der sie nicht einmal zu träumen wagte.
    »Heiko und ich, was haben wir denn schon gesehen? Was wissen wir denn schon? Wen wir noch alles kennenlernen werden! Er andere Mädels, ich andere Typen. Gott sei Dank!« Sandra grinste Anna leicht verschwörerisch an. »Du kommst doch sicher viel rum? Du weißt, was ich meine, oder? Alles ändert sich so schnell. Andauernd, ohne dass wir lang gefragt werden. Und wir? Wir klammern uns alle an irgendwelche alten Muster. Wir wissen doch alle, dass es keinen Sinn hat. Allein die Scheidungsrate! Die liegt bei fünfzig Prozent! Ich frag dich, wer tritt denn bitte eine Reise an und weiß, dass sie zu fünfzig Prozent in die Hose geht? Hallo?«
    Anna hörte ihr jetzt ganz aufmerksam zu, sie mochte Sandras klare Worte. Sandra sprach nicht mit der Stimme der Enttäuschten oder der Zynikerin.

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