Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)

Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)

Titel: Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Friedmann
Vom Netzwerk:
sich selbst und eierte glücklich wie ein Seepferdchen eine Acht nach der anderen in den Tanzboden.
    Schließlich rundeten die beiden Gespielinnen mit ihrer nächsten Aktion das sündige Bild endgültig ab. Sie zogen den willenlosen Carlo zu sich und überschütteten ihn mit Zärtlichkeit.
    Alle waren alt genug, beruhigte sich Elli erneut, denn sie schwankte zwischen Fassungslosigkeit und der Gewissheit, einer ganz besonderen Nacht beizuwohnen. Und selbst wenn sie hätte einschreiten wollen, sie konnte nicht, denn auch ihr Körper und ihr Geist folgten längst ganz anderen Befehlen.
    Die Realität löste sich zunehmend in ihre Einzelbilder auf. Keiner der sieben lebte noch in der Echtzeit.
    Aus sieben Lieben wurden sieben Leben.
    Es gab kein Licht und keinen Schatten, keinen Anfang und kein Ende. Doch die Welt um sie alle herum drohte sich keineswegs in einem breiigen, nichtssagenden Grau zu banalisieren. Dazu vibrierte der Raum viel zu sehr. Er vibrierte unter Heikos unterwürfigem Stöhnen, denn Anna fickte ihn wortwörtlich in Grund und Boden. Er erzitterte unter der Hingabe, mit der Carlo kopflos zwischen Tinas Schenkeln eingetaucht war. Er bebte unter der puren Lust, mit der Tina ihrerseits Sandra in den Wahnsinn trieb. Er pulsierte unter den Herzschlägen der Frauen, die keine Grenzen mehr kannten, und der Männer, die sich ihnen ergaben.
    Und er gab sich dem warmen Auf und Ab hin, mit dem Elli an ihren Elia dachte und sich endgültig in die Hände der tiefen Nacht begab.
    Bis wieder Stille herrschte, dauerte es noch sehr lange.

9. Kapitel
    Es war einer dieser Morgen, an denen die winzig kleinen Beine einer Fliege auf dem Holzboden einen ohrenbetäubenden Lärm verursachten. An dem sich das Knarren einer einzelnen Holzfaser für Stunden tief in die letzte Windung des menschlichen Gehirns einfraß und man froh sein konnte, wenn einem kein bleibender Schaden blieb. Heikos Ohr lag flach auf dem Boden, und das verschüchterte Niesen des Holzwurms, der sich durch die alten Bretter fraß, dröhnte schmerzvoll in seinem Gehörgang.
    Selbst der erfahrene italienische Sommer hatte einen Kater. Er verstand ja eigentlich was vom Feiern und Trinken, der Sommer, aber er hatte es mit dem Gelage übertrieben und hatte sich nun machtlos ergeben. Nur die Bäume, Zedern, Platanen und Pinien, reckten sich wie immer stramm in den Himmel, denn sie waren zu alt für solche Späßchen. Alles andere, ja beinahe die gesamte Natur lag matt und erschlagen am Boden. Alles war ausgezehrt und entkräftet von der gnadenlosen Hitze der letzten Tage und wurde nun niedergestreckt von bleiernen Wolken. Das Tief aus dem Norden hatte obsiegt. Das gotische Grau war gnadenlos in das Reich der römischen Sonne eingefallen wie seinerzeit die Barbaren. Es war merklich kühler geworden.
    Kein guter Tag für eine Anreise.
    Der Bote der unwillkommenen Zeitenwende war ein alter Mann, dessen blank polierte Lederstiefel Heiko mit den lärmenden, tapsigen Füßen eines lästigen Käfers verwechselt hatte. Der scheintote Leipziger sollte bald erfahren, wie sehr er sich getäuscht hatte.
    In seinen siebenundsechzig Jahren hatte sich Frieder Saalfeld noch kein derart erschreckendes, kein solch beschämendes Bild geboten.
    Bereits die seltsame Ansammlung von Autos in der Auffahrt kündigte eine unangenehme Überraschung an. Doch das hier übertraf wirklich alles. Es war das erste Mal, dass er die Villa durch die Terrassentür betrat, aber sie stand weit offen, und der Gestank von schwerem Alkohol und süßlichen Zigaretten verlangte nach sofortiger Aufklärung. Als er das Esszimmer betrat, traute er seinen Augen nicht. Erschöpft lagen diverse Männer- und Frauenkörper im Raum verteilt, drapiert wie in einer Malstudie zu Sodom und Gomorrha. Ein kräftiger, dicklicher Mann, nackt zwischen zwei ebenso unbekleideten Frauen. Weiter hinten der leblose, bleiche Körper eines anderen Mannes, ebenfalls nackt. Auf dem Sofa eine elegante Frau, neben ihr, am Boden, ein halbleeres Rotweinglas. Dann noch eine halbnackte Frau, immerhin mit einer Wolldecke bedeckt. Sie alle waren eingerahmt von unzähligen leeren Flaschen, vollen Aschenbechern, Kissen, verschmierten Desserttellern, dreckigen Gläsern. Einer seiner Lieblingsstühle lag umgekippt in der Ecke, neben dem Sofatisch war Rotwein in das Parkett eingetrocknet. Der modrige süßliche Geruch von Haschisch schlug ihm ins Gesicht. Und schließlich zu seinen Füßen diese erbärmliche Resthülle von einem Menschen.

Weitere Kostenlose Bücher