Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)
gestern in eine Orgie hineingeschlittert, hatten fast querbeet miteinander geschlafen, Sandra mit Tina, dann beide mit dem dicken Carlo, und er selbst war urplötzlich von Anna beinahe vergewaltigt worden. Zugegeben, seine Proteste waren leise ausgefallen. Das gestand er sich ein, und es verursachte ihm schwere Depressionen. Zum ersten Mal war ihm das Geld egal. Was konnte es ihm schon helfen? Nichts. Zwei Millionen gedruckte, schallende Ohrfeigen.
Noch vor weniger als zwei Tagen war seine Welt das perfekte Paradies gewesen. Alles hatte er im Griff gehabt. Davon war nichts mehr übrig, ihm war alles entglitten, innerhalb von wenigen Stunden.
Sandra kam, nur mit einem roten Handtuch bekleidet, pfeifend aus dem Bad. War das zu fassen? Pfiff die dumme Kuh tatsächlich?
Totale Unruhe trieb ihn mal im Zickzack, mal in Schlangenlinien durch den viel zu engen Raum. Er stand still und rannte zugleich. Die Macht über seinen Körper hatte er längst verloren.
»Du machst einen ganz verrückt mit deiner komischen Rumrennerei«, beschwerte sich Sandra fröhlich.
Sie pfiff! Er hatte sich nicht getäuscht. Innerlich zitternd blieb er stehen. Er zeigte mit dem Finger auf sie, suchte erst nach Worten, dann platzte es aus ihm heraus: »Du kotzt mich so was von, also du kotzt mich wirklich an.« Er musste weg, weg von diesem gescheiterten Traum. Von nun an konnte sie pfeifen, so viel sie wollte.
Elli machte sich Sorgen um ihren Bruder. Carlo war nicht der Typ für sexuelle Abenteuer. Auch wenn er die vergangene Nacht mit den beiden nackten Frauen genossen hatte. Nein, Carlo träumte von einem sorgenfreien, gemütlichen Leben auf seiner Schwabinger Dachterrasse. Einer Welt, in der man abends in vertrauter Zweisamkeit so einschlief, wie man morgens aufwachte. Tag um Tag, Woche um Woche und so weiter. Das konnte er Anna bieten. »Wunderbar«, würden viele sagen. Nicht Anna, und das war auch ihr Recht. Aber die Art und Weise, wie er es erfahren hatte, war herzlos. In Elli baute sich Wut auf. Carlo mochte geahnt haben, dass Anna ihm entglitt, höchstwahrscheinlich für immer. Aber Annas Verhalten gestern Nacht, das hatte er nicht verdient.
Es überraschte sie nicht im Geringsten, Carlo in der Küche zu finden. Sie legte ihm einen Arm auf die Schulter. »Na Großer!«, sagte sie möglichst neutral, seine Gefühlslage ertastend.
Carlo stand am Herd und lenkte sich offensichtlich mit irgendwelchen Handgriffen ab. Es roch nach angebrannten Spiegeleiern. Bei Carlo eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit und deshalb ein alarmierendes Zeichen.
»Das Wetter hat umgeschlagen«, sagte Elli.
»Ja.«
Jetzt erst fiel Elli auf, dass es draußen in Strömen goss. Das passte wenigstens zur Stimmung. Elli holte Luft, sie wollte etwas sagen, doch ihr Bruder kam ihr zuvor.
»Ja, ich fühl mich, ich weiß gar nicht, wie ich mich fühl? Vielleicht wie die verbrannten Rühreier hier, matschig in der Pfanne, zu lang auf der falschen Herdplatte, zu nah am Feuer.«
Carlo war wirklich nicht gerade gut mit Worten. Dafür umso deutlicher mit Taten, denn in der nächsten Sekunde pfefferte er mit Wucht die Pfanne samt Rühreiern an die Wand.
Erneut holte Elli tief Luft und atmete sprachlos wieder aus. Ihr Bruder konnte ihr nicht in die Augen sehen, so sehr schämte er sich.
»Ihr müsst reden, Carlo! Unbedingt!«
»Reden, reden. Das hätten wir vorher machen sollen, viel früher, jetzt ist es zu spät.«
»Ach geh, so ein Quatsch. Es ist nie zu spät!«, versuchte Elli ihn zu besänftigen.
Er saß in sich zusammengesunken auf einem Stuhl.
»Magst an Kaffee?«, fragte sie ihn. Sie wusste nicht, wie sie ihm sonst helfen sollte.
»Kruzefix!«, fluchte er. »So blind. Ich war die ganze Zeit dermaßen blind. Hab ich mir das alles nur eingebildet? Sag, Elli, bin ich so ein naiver Depp?«
»Carlo, schau mich an. Meinst, ich weiß, wie es geht? Das Leben? Wir machen uns doch alle was vor. Wenn die Anna einen anderen Weg gehen will als du, dann kann es keiner ändern. So traurig es ist.«
»Aber das kann sie mir doch verdammt noch mal sagen. Mit mir kann man doch reden!«
»Weiß ich nicht, ob man das immer kann, Carlo.«
Er war kurz davor, den Tisch mit seiner Faust zu zertrümmern, und gleichzeitig hatte er nicht einmal die Kraft, seinen Arm zu heben.
Da zuckte Elli zusammen, denn wie ein Geist stand urplötzlich ihr hübscher Doktor in der Küche.
»Buon giorno! Ich habe gerufen, aber keiner hat geantwortet. Habt ihr noch schön gefeiert,
Weitere Kostenlose Bücher