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Flaschendrehen: Roman (German Edition)

Flaschendrehen: Roman (German Edition)

Titel: Flaschendrehen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Greifeneder
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nachsagt?« Sprach’s, nahm ihre Koffer, verschwand und ließ mich verdutzt stehen.
    Worauf sie anspielte, war mir natürlich klar. Sie hatte Clemens und mich zusammen gesehen und sich den richtigen Reim darauf gemacht, auch wenn wir uns nicht einmal zärtlich berührt hatten. Augen im Kopf und das richtige Gespür hatte sie, aber warum sprach sie mich darauf an? Meinte sie es wirklich gut und wollte mich warnen, oder war das ein Erpressungsversuch oder der Versuch, mich einzuschüchtern? Eins stand fest, ich war froh, wenn ich endlich kündigen konnte und das Versteckspiel ein Ende hatte. Nur noch elf Wochen, die würde ich durchstehen, komme, was wolle.

»Stell dir vor, Diane lässt sich den Busen vergrößern!«
    Willkommen zurück im wirklichen Leben, im alltäglichen Wahnsinn, der sich in Form von Michi manifestierte, die mich auf den neuesten Stand brachte, was die Neuigkeiten in der Redaktion anging. Gerade mal zehn Tage war ich weg gewesen, aber das reichte aus, um alle durchdrehen zu lassen.
    »Woher weißt du das denn?«, fragte ich neugierig nach. Michis Augen funkelten. Diane hatte sich Adresse, Termin und Infomaterial ausgedruckt und leider einen Tick zu lange im Drucker liegen lassen, zumindest hatte Michi zufällig alle Unterlagen sehen können.
    »Silikon, von B auf C. Ist gar nicht mehr so teuer, vielleicht sollte ich mir das auch überlegen?«
    Waren jetzt alle durchgeknallt? Meine Gespräche über Brüste hatten seit knapp einem Jahr höchstens mit Schwangerschaften oder Stillen zu tun, seit immer mehr Freundinnen Kinder bekamen und mit leuchtenden Augen berichteten, wie sie BH s eine Größe größer kaufen mussten. An diesen Gesprächen merkte ich, dass ich älter wurde, und daran, dass mich kürzlich ein Mädchen im Supermarkt, von dem ich eigentlich dachte, wir seien eine Generation, gesiezt hatte! Bei meinem Arbeitsumfeld mit einem Altersdurchschnitt von Mitte zwanzig, leitende Positionen natürlich ausgeschlossen, bestand leicht die Gefahr, als Berufsjugendliche zu enden und irgendwann den richtigen Zeitpunkt für ein Kind zum Beispiel zu verpassen. Bei Diane bestand dieses Risiko nicht. Oft genug und laut genug hatte sie jedem, den es interessierte und nicht interessierte, gesagt, dass sie nie im Leben Kinder wolle. Allein bei der Vorstellung, wie eine Schwangerschaft ihren Traumkörper verändern würde, breitete sich die nackte Panik in ihrem Gesicht aus. Musste jeder selbst entscheiden. Und Diane steckte ihr Geld eben lieber in Silikon.
    »Denk an die Nebenwirkungen und Operationsrisiken!«, warnte ich Michi, die sich gerade ihren BH mit Papierbällen ausstopfte. Mein Einwand verfehlte die Wirkung natürlich nicht. Sofort googelte Michi Fotos von missglückten Eingriffen und Horrormeldungen von geplatzten Silikonkissen. Mit entsetztem Gesichtsausdruck las sie alles, was sie finden konnte, und war so eine Weile ruhig gestellt, was mir die Möglichkeit gab, endlich an meiner Extraausgabe zur Biennale weiterzuarbeiten.
    Zwar war ich gerade einmal einen Tag zurück, aber schon schien es mir, als ob ich nie weg gewesen wäre, und Venedig kam mir nur wie ein Traum vor. Die Realität sah aber auch ernüchternd aus: Clemens war unterwegs, ich musste mich auf mindestens zwei Wochen Überstunden für das Extraheft einstellen; Sarah hatte überhaupt keine Zeit mehr vor lauter Krankenhaus; Leila war schwer verliebt und jeden Abend unterwegs, und meine Kolleginnen durchgedreht.
    Keine Ahnung, was in meiner Abwesenheit passiert war, aber irgendwie nahm das Büro Ally-McBeal-mäßige Formen an. Michi und Diane waren auffällig gut gelaunt ohne ersichtlichen Grund.
    Zwar wurde ich von Diane wie üblich in ihrer charmanten Art angeblafft – »Na, wieder zurück aus dem bezahlten Urlaub?« –, aber ansonsten war es den Tag über merkwürdig still, beinahe friedlich.
    Feline, die für Clemens die Redaktionssitzung leitete, war ebenfalls froh gestimmt und verkündete Erfolgszahlen zur letzten Ausgabe. Die Zeitgeist würde mit ihrer ersten Ausgabe nächste Woche erscheinen, aber allzu große Sorgen machte sich im Moment niemand.
    Außer Michi, aber ihre Sorge galt einzig und allein der Frage, welche Klamotten sie zur Buchmesse mitnehmen sollte. Stimmt, die Buchmesse, Michi und Clemens fuhren auf die Buchmesse. Kein Wunder, dass Michi sich überlegte, wie sie Clemens am besten beeindrucken konnte, Busenvergrößerung inbegriffen.
    Michi legte mir die Elle hin, auf verschiedenen Seiten klebten Post-its, die

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