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Flaschendrehen: Roman (German Edition)

Flaschendrehen: Roman (German Edition)

Titel: Flaschendrehen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Greifeneder
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hiermit beseitigt, und zwar ein für alle Mal.
    Clemens nahm meine Hand.
    »Gretchen, ich weiß, die letzte Zeit war nicht gerade leicht. Die viele Arbeit, ständig bin ich unterwegs … Wir haben kaum Zeit füreinander. Glaube mir, ich finde das auch nicht ideal, aber es sind nur noch drei Wochen bis Weihnachten, dann sind Ferien, Sylvester, und schließlich kannst du kündigen, und wir fangen von vorn an. So lange halten wir das durch, oder?«
    Natürlich würden wir das, notfalls bis zum Sankt Nimmerleinstag, wenn er mich mit seinem Blick weiter so verrückt machte.
    Wir verabredeten uns für den Abend bei ihm, Clemens wollte selbst kochen.
    Beim Hinausgehen fiel mir der Reiseplan ein, den ich bei Marion gesehen hatte.
    »Sag mal, bist du eigentlich schon gestern Abend gelandet?«
    Clemens sah mich erstaunt an.
    »Nein, wieso? Das hatte ich ursprünglich vor, aber dann ist mir noch ein Geschäftsessen dazwischengekommen.«
    Hätte ich mir eigentlich denken können, war mir schließlich auch schon einmal passiert, wozu sonst hatten wir alle flexible Flüge.
    Beruhigt ging ich wieder an meinen Platz und stellte fest, dass Rudi mit seiner Einschätzung vollkommen richtig gelegen hatte. Nur weil ich mich von Clemens vernachlässigt gefühlt hatte, war die Sache mit Ben möglich gewesen. Erleichtert merkte ich, dass sich meine Gefühle für Clemens kein bisschen geändert hatten, die Verunsicherung durch Ben war nur auf eine momentane Verwirrung zurückzuführen. Rein aus Neugierde würde mich allerdings sehr interessieren, wie Ben eigentlich diesen Beinahekuss am helllichten Tag erklärte, wobei ich mir darüber keine Sorgen machen musste, denn wie ich Ben kannte, schwieg er den Vorfall so lange tot, bis ich irgendwann selbst nicht mehr wusste, dass er stattgefunden hatte.

»Gretchen, schau dir diese Decke an. Die wäre was für Leila!«
    Sarah hielt mir eine bordeauxfarbene Kaschmirdecke vor die Nase; sie war so nett gewesen, mich zum Weihnachtsgeschenkeeinkauf zu begleiten. Hatte ich schon erwähnt, dass ich Weihnachtsgeschenke besorgen hasste? Es lag nicht daran, dass ich keine Ideen hatte oder mir nahe stehende Menschen nicht beschenken wollte. Nein, mich stresste vielmehr, mich samstags am Ku’damm, der Friedrichstraße oder den Hackeschen Höfen durch die Massen zu quälen und die knappe Zeit, die einem blieb, mit Schlangestehen und aggressiven vorweihnachtlich gestressten Menschen zu verbringen, die einem Schläge androhten, wenn man wagte, den letzten vorrätigen Bildband von Berlin zur Kasse zu tragen, den sie selbst von weitem anvisiert hatten.
    Sarah konnte so was natürlich nicht passieren. Sie gehörte zu den gut organisierten Menschen, die bereits im Spätsommer alle Geschenke beisammen, spätestens im Herbst verpackt hatten und Anfang Dezember nur noch die Karten dazu schrieben. Chaotisch wie ich war, gehörte ich zur Gruppe all derer, die kurz vor Ladenschluss am Heiligabend Verzweiflungskäufe tätigten, um nicht mit leeren Händen dazustehen, was zugegebenermaßen schon zu manch einem Fehlkauf geführt hatte. Anscheinend war ich eine Ausnahme, was diese Käufergruppe anging, denn sie bestand zu neunzig Prozent aus Männern, zumindest wenn man den jährlichen Umfragen Glauben schenkte.
    Dieses Jahr war alles anders. Ich hatte mir fest vorgenommen, nicht erst kurz vor Ladenschluss die erschöpften Verkäuferinnen mit meinen Ideen zu malträtieren, nein, dieses Jahr wollte ich vor dem 24. Dezember alle Geschenke haben, vor allem natürlich eins für Clemens! Und nur deshalb tat ich mir diesen ausgedehnten Horror seit mehreren Stunden an.
    Dank Sarah, die trotz des Gewimmels den Überblick behielt und mich von Geschäft zu Geschäft, von Tisch zu Tisch dirigierte, konnte ich bereits die Geschenke für meine gesamte Familie inklusive Großeltern abhaken und Leilas gleich mit, denn die rote Decke würde ich kaufen, äh …, auch wenn sie schlappe hundert Euro kostete. Egal, bevor ich mir eine weitere Stunde diesen Stress antat und meine Lebenserwartung drastisch minimierte, nahm ich lieber den Preis in Kauf, schließlich wollte man ja auch nicht kleinlich sein.
    »Gekauft!«, rief ich Sarah zu, die mich auf wundersame Weise an den Menschentrauben vorbeilotste, eine fast leere Kasse auftrieb, sodass wir innerhalb kürzester Zeit wieder an der frischen Luft standen.
    Das helle Lichtermeer der Weihnachtsbeleuchtung auf der Einkaufsmeile weckte weihnachtliche Gefühle, jedoch nur kurz, denn Sarah zog mich

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