Flaschendrehen: Roman (German Edition)
sofort weiter, es standen noch zwei Geschenke auf der Liste.
Sarahs Geschenk war das einzige, das ich bereits vor langem gekauft hatte. Gemeinsam hatten wir ein schlichtes Silberarmband mit fein gearbeiteten Edelsteinen entdeckt, in das Sarah sich sofort verliebt hatte. Heimlich war ich in das Geschäft zurückgefahren und hatte es gekauft. Jetzt fehlten mir nur noch ein Geschenk für Ben und Clemens. Für Ben fielen mir tausend Sachen ein. Wir waren uns seit dem Vorfall, der eigentlich keiner war und schon drei Wochen zurücklag, aus dem Weg gegangen.
»Für Ben hab ich ’ne Idee, der bekommt von mir Die Anatomie der Melancholie von Robert Burton im Original. Das kann ich übers Internet bestellen. Und Clemens wollte ich eigentlich mit ’nem Wochenendtrip in die Berge zum Skifahren oder einem romantischen Wochenende in Paris überraschen. Was findest du denn besser?«
Sarah fand im Winter die Berge besser, denn jede Großstadt war im Winter anstrengend, selbst Paris. In den Bergen hingegen konnte man Sonne tanken, die frische Luft genießen und sich abends auf der Hütte gemütlich vor den Kamin kuscheln. Wir beschlossen, dass ich für Clemens Mütze, Schal und Handschuhe kaufte und darin den Gutschein verpackte, damit nicht nur ein Kuvert unter dem Tannenbaum lag.
»Wie läuft’s denn so mit Clemens?«, fragte Sarah, während ich die eben ergatterte schwarze Wollmütze bezahlte. Sie wusste um die Probleme, die ich mit Clemens gehabt hatte, und den »Ben-Vorfall«, wie wir ihn inzwischen nannten. Sarah hatte ausnahmsweise keine Meinung zu diesem Thema und hörte mir einfach nur zu, ohne zu urteilen, was ich als sehr angenehm empfand.
Ja, wie lief es mit Clemens? Unglaublich, aber wahr, es lief wieder richtig gut! Keine Ahnung, ob es auf lange Sicht gesehen gut war, auf alle Fälle hatte ich mir Rudis Ratschlag zu Herzen genommen und mich rarer gemacht, nicht jeden Anruf beantwortet. Auch mal einer seiner SMS so stehen lassen und vor allem, und das war das Schwierigste gewesen, eine Verabredung mit ihm abgesagt, weil ich angeblich mit Sarah verabredet war, die prompt keine Zeit an diesem Abend gehabt hatte. Auf alle Fälle hatte die Taktiererei, so blöd ich sie fand, funktioniert. Clemens war auf einmal wieder hellwach und schwer dahinter, dass wir uns trafen. Mir war klar, dass ich nicht mein Leben lang solche Spielchen spielen konnte, aber für den Moment funktionierte es und machte mich glücklich. Wenn ich erst einmal gekündigt und wieder mehr Zeit hatte, konnte ich mir immer noch überlegen, wie es weiterging. Zugegeben, jetzt wo meine Kündigung nur noch zwei Wochen entfernt war, wurde mir doch irgendwie mulmig, denn die Joblandschaft in Berlin sah bei einer Arbeitslosenquote von zwanzig Prozent nicht gerade rosig aus, und meine Zukunft als Freie war auch nicht sicher. Bisher hatte ich keinem von meinen Plänen erzählt, irgendwie hatte ich Angst, dass sie mir abraten oder versuchen würden, mich wieder umzustimmen. Sarah musste ich erst gar nicht fragen. Ihre Meinung kannte ich nur zu gut. Sie würde mich zwingen, erst dann zu kündigen, wenn ich ein anderes sicheres Angebot in der Tasche hatte. Leider musste ich mir selbst zuschreiben, mich noch nicht richtig um einen neuen Job gekümmert zu haben. Zwar las ich die brancheneinschlägigen Stellenangebote, meistens waren die aber in München oder Hamburg zu finden. In Berlin hatten die meisten Firmen immer noch nur eine kleine Dependance und trauten sich nicht, den großen Schritt zu wagen und das Gesamtunternehmen in die Hauptstadt zu verlegen. Bei dem Arbeitspensum, das ich täglich leistete, fand ich einfach nicht die Kraft, mich auch noch gezielt um Bewerbungen zu kümmern, gerade mal zwei Stück hatte ich abgeschickt, aber bisher nicht einmal eine Eingangsbestätigung bekommen.
»Wollen wir noch Kaffee trinken? Ich lade dich ein als Dankeschön!«
Sarah liebte Kuchen, und so fuhren wir zu mir ins Viertel und gingen ins Café Albrechts. Das Café hatte zwar nur drei Tische, dafür standen aber diese direkt am Fenster, und man konnte sich auf eine der gemütlichen weißen Bänke mit roten Sitzkissen lümmeln. Die Chefin hatte ihre Patisserieausbildung in Paris gemacht, was man den leckeren Eclairs und Petits Fours auch anmerkte.
Wir bestellten zweimal Milchkaffee und eine gemischte Auswahl an Schoko-, Früchte-Petits-Fours, verschiedenen Baisers und Eclairs. Zum Glück waren die süßen Stückchen im Albrechts so klein, dass man mehrere
Weitere Kostenlose Bücher