Flaschendrehen: Roman (German Edition)
verschiedene essen konnte. Hach, tat das gut, die schmerzenden Füße auszustrecken mit dem guten Gefühl, vier Tage vor Heiligabend alle Geschenke zu haben.
»Wie wär’s, wollen wir Leila anrufen und fragen, ob sie Lust hat vorbeizukommen?«, fragte ich Sarah, die die Idee gut fand. Wenig später schneite Leila herein, gut gelaunt, denn die Weihnachtsumsätze in ihrem Laden waren an diesem Samstag rekordverdächtig.
»Mädels, ich sag’s euch. Der Laden läuft inzwischen so gut, dass er richtig Geld abwirft. Goldgrube ist vielleicht übertrieben, aber auf alle Fälle werde ich mit Jakob und Mimi in den Urlaub fliegen können, und zwar in einen richtig langen, schönen Urlaub.« Sie strahlte vor Glück. Ich freute mich so für sie, denn ich wusste, wie schwer die Anfangszeit gewesen war, wie risikoreich ihre Investitionen, und wie lange es gedauert hatte, sich einen Namen zu machen.
Jetzt, zwei Jahre später, lief der Laden erfolgreich, ihr Label bekam immer mehr Erwähnungen in diversen Zeitschriften, und auch privat schien Leila mit ihrem Jakob endlich den Richtigen gefunden zu haben.
»Feiert ihr Weihnachten gemeinsam, du und Jakob?«
Leila seufzte.
»Nein, leider nicht. Er feiert bei seinem Vater in München. Aber nach Sylvester ist er wieder in Berlin, dann müsst ihr ihn unbedingt mal treffen. Und du, feierst du mit Clemens?«
Natürlich nicht! Wo kämen wir denn da hin? Nein, ich würde brav nach Dehling zu meinen Eltern fahren und er sich mit seinem Vater und den Schwestern in London treffen. Sylvester waren wir wieder in Berlin und konnten wenigstens gemeinsam ins neue Jahr feiern. Und ab dem neuen Jahr, das hiermit zum offiziellen Clemens-und-Gretchen-Jahr ausgerufen wurde, würde alles sich fügen und noch besser werden, wer weiß, vielleicht gab es eine gemeinsame Wohnung nächstes Jahr oder eine Verlobung? Gut, ich hatte das Thema nicht explizit angesprochen, wäre ja auch etwas voreilig nach einem knappen halben Jahr, aber so leidenschaftlich und romantisch wie Clemens veranlagt war, musste er einer Hochzeit etwas abgewinnen können.
Einmal hatte ich ihn darauf angesprochen, und er sagte, dass er schon einmal gedacht hatte, die Richtige gefunden zu haben, und sogar verlobt gewesen war, aber letztlich hatte es sich nicht gefügt, und die Beziehung war an der Distanz gescheitert.
Die Verlobung ließ mich natürlich aufhorchen, aber er wollte nicht darüber sprechen, es sei nicht schön auseinander gegangen, war alles, was er dazu gesagt hatte.
»Sagt mal, wenn wir alle Sylvester in Berlin sind, wollen wir dann nicht gemeinsam feiern? Wir könnten zur Abwechslung in meiner Wohnung die Party machen«, schlug Leila vor. Eine gute Idee. Ich hasste Sylvester! Immer gab es diesen Druck, die ultimative Veranstaltung zu finden, und am Ende landete man bei schlecht organisierten Partys, wo man viel zu überteuerten Eintritt bezahlte und an Buffets mit fremden Menschen in der Schlange stand. Jedes Jahr sagte einer von uns, wir sollten eigentlich mal in einer Hütte in den Bergen feiern, eine der wenigen Vorstellungen, die ich verlockend fand. Dann kümmerte sich wieder keiner darum, und Mitte Dezember ging erneut die Fragerei los, was man Sylvester eigentlich unternehmen sollte.
Hinzu kam, dass ich an Sylvester regelmäßig melancholisch wurde, eine Art Jahresbilanz zog und überlegte, was die Zukunft und das kommende Jahr wohl mit sich bringen würden. Diese Überlegungen hielt ich am liebsten in einer kleiner Runde mit Menschen, die ich mochte, anstatt über komatös besoffene »Partypeople« zu stolpern, denn eine unumstößliche Regel war, dass an Sylvester alle so sturzbesoffen waren wie sonst nie unter den Jahren, nicht einmal an Karneval.
»Also ich glaube, ich würde gerne erst mit Clemens essen gehen und anschließend in kleiner Runde bei Leila feiern, oder willst du ’ne richtige Party schmeißen?«
Leila wehrte dankend ab. Sie dachte an maximal zwanzig Leute.
Das klang gut. Clemens würde sicher auch froh sein, wenn er es ausnahmsweise einmal ruhiger angehen lassen konnte.
Sarah hoffte, dass sie keinen Bereitschaftsdienst über Sylvester aufgedrückt bekam, weil sie als Einzige Single war und keine Familie hatte, was fast immer das Totschlagargument der Kollegen war, wenn es um die Feiertagsplanung ging. Die letzten Jahre hatte Sarah sich regelmäßig breitschlagen lassen, aber dieses Jahr versuchte sie, freizubekommen.
Müde und mit den ergatterten Geschenken bepackt, verließen wir
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