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Flaschendrehen: Roman (German Edition)

Flaschendrehen: Roman (German Edition)

Titel: Flaschendrehen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Greifeneder
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in Leilas Richtung, die Mimi und zwei anderen Mädchen Kindersekt einschenkte.
    Sarah schlug sich an die Stirn.
    »Na klar, das macht Sinn. Warum sonst hat er sie noch nicht ins Bett geschleift. Immerhin hatte er lange genug die Gelegenheit, bevor Leila Jakob kennen gelernt hat. Sonst ist er doch auch nicht so zurückhaltend.«
    Genau das war auch meine Theorie. Armer Rudi, er musste furchtbar leiden, aber anmerken ließ er sich nichts.
    Nervös blickte ich auf die Uhr, die halb neun zeigte. Clemens würde jetzt aber langsam boarden müssen, wenn er noch rechtzeitig kommen wollte. Ich zog mich in Leilas Schlafzimmer zurück, um ungestört mit Clemens sprechen zu können, der immer noch in der Abflughalle wartete, zwar schon eingecheckt war, aber noch nicht mal ein Gate wusste.
    »Augenstern, ich befürchte, das wird ’ne längere Angelegenheit hier. Wenn das noch viel länger dauert, bekommen wir Probleme mit dem Nachtflugverbot, was heißt, dass wir nicht in Tegel, sondern Schönefeld landen müssen, das dauert dann noch länger.«
    Die Enttäuschung, die in seiner Stimme mitschwang, drückte genau aus, wie ich mich auch fühlte. Dabei ging es nur um ein paar blöde Stunden. Was wirklich zählte, war, dass ich ihn irgendwann heute Nacht endlich wieder anfassen und spüren konnte.
    Wir vereinbarten, dass wir einfach nicht damit rechneten, dass es für Mitternacht reichte, auch nicht mehr alle fünf Minuten anriefen, sondern er sich einfach meldete, sobald er gelandet war.
    »Wenn wir uns sehen, muss ich dir etwas Wunderbares erzählen«, sagte er noch und beendete das Gespräch.
    Die Zeit bis Mitternacht verging wie im Flug, Leilas Essen schmeckte ausgezeichnet, sie hatte frischen Fisch mit gratinierten Kartoffeln und Gemüse aufgefahren und ein Sanddornparfait als Dessert gereicht.
    Doch die Hauptattraktion des Abends sollte noch kommen. Leila mit ihrem Hang zum Okkulten hatte zwar die üblichen Sylvesterscherze wie Bleigießen und Kaffeesatzlesen vorbereitet, aber als Krönung eine Wahrsagerin bestellt, die allen, die wollten, das neue Jahr voraussagte.
    Mein Bedarf an Wahrsagerinnen war für mein restliches Leben gedeckt, ich knabberte und rätselte immer noch daran, was Birgit, die Hellseherin auf der Esoterikmesse, mir alles gesagt hatte. Den Gedanken hatte ich kaum fertig gedacht, da stand plötzlich besagte Birgit, meine Wahrsagerin vom Sommer, in der Tür, sah mich an, erkannte mich auch sofort, aber sagte kein Wort, was ich sehr diskret fand. Berlin schien nicht besonders viel Auswahl an Hellsichtigen zu bieten, bei Gelegenheit musste ich das in den Gelben Seiten überprüfen – oder war Birgit die lokale Größe ihres Metiers? Die Partygesellschaft guckte genauso erstaunt wie ich beim ersten Treffen, als Birgit mit ihren blonden Haaren und der aufgeräumten Art als Wahrsagerin vorgestellt wurde. Weder einen Raben auf der Schulter noch lange dunkle Zottelhaare bot sie, nur ein freundliches Lächeln.
    Leila, die die aufkeimende Skepsis gegenüber ihrer groß angekündigten Wahrsagerin spürte, fühlte sich genötigt, diese anzupreisen. Birgit, so erfuhren wir, berate die ganz Großen aus Politik und Wirtschaft, auch viele Künstler würden sich ihrer Voraussagen erfreuen, und sie sei nicht, wie einige vermuteten, Leilas Buchhalterin, die für »’nen Fuffi« die Wahrsagerin gebe.
    Birgit, der die Situation unangenehm wurde, zog sich in Leilas Atelier zurück, wo eine kleine Sitzecke für sie aufgestellt war, und bat Freiwillige vor. Zu meiner Überraschung stand Sarah auf, die sonst alles, was nicht physikalischen Gesetzen unterlag, für Humbug hielt.
    Nach einer Weile kam sie sehr nachdenklich wieder und wurde von allen Seiten bestürmt und ausgefragt. Sie wehrte ab und meinte nur, die anderen sollten es am besten selbst ausprobieren.
    Mich konnte Sarah natürlich nicht so einfach abwimmeln.
    »Du wirst es nicht glauben, aber das ist die Wahrsagerin, bei der ich auf der Eso-Messe war. Was’n Zufall, oder? Seit wann lässt du dir freiwillig die Zukunft voraussagen?«, zog ich meine vernunftbezogene Freundin auf.
    »Seit Wahrsagerinnen mehr nach harmloser Lenor-Werbung aussehen und einem keine Angst einflößen, gleich die ganze Sippe zu verfluchen.«
    Ich wusste, was sie meinte. Birgit flößte Vertrauen ein, nichtsdestotrotz schützte das nicht vor den unangenehmen Voraussagungen, die sie traf.
    Ich wurde ungeduldig, denn Sarah musste bald los und ihren Bereitschaftsdienst antreten.
    »Jetzt lass dich

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