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Flaschendrehen: Roman (German Edition)

Flaschendrehen: Roman (German Edition)

Titel: Flaschendrehen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Greifeneder
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ich ja Glück, und es gab noch eine weitere Vorführung vor der Deadline für die nächste Ausgabe.
    Die freundliche Pressedame am Telefon konnte mir tatsächlich zwei Ausweichtermine nennen, ich deutete es als Zeichen, dass alles gut werden würde und das Universum mir zur Seite stand.
    Das Einzige, was mich wirklich aufheitern konnte, war Clemens, und der war den ganzen Tag in Meetings oder zu Terminen außer Haus. Da wir höllisch aufpassen mussten, uns ja nicht auffällig zu benehmen, konnten wir auch keine E-Mails mit privatem Inhalt verschicken, was mir sehr schwer fiel.
    Diane war im Gegensatz zu mir bestens gelaunt. Wenn mich nicht alles täuschte, trug sie einen Amethyst um den Hals, den – dafür verwettete ich meinen Hintern – meine Mutter ausgesucht hatte. Ein Amethyst galt als Schutzstein gegen den bösen Blick! Wogegen brauchte jemand wie Diane Schutz? Sie konnte sich ja schlecht an ihrer eigenen Zunge verletzen. Mir fielen die Worte der Wahrsagerin wieder ein. Dass Diane eine der Frauen war, die mir Böses wollten, bezweifelte ich nicht, aber wer waren die anderen? Gut, potenziell jede Frau, die auch auf Clemens stand, aber das wären dann dreißig Millionen Frauen und nicht nur drei. Oder wie viele Frauen in geschlechtsreifem Alter hatten wir in Deutschland? Allerdings müssten sie erst einmal wissen, dass ich mit Clemens zusammen war, um mich zu hassen.
    Kaum hatte ich an Clemens gedacht, piepste mein Handy mit einer SMS von ihm. Das war Schicksal, Gedankenübertragung und ein weiterer Beweis, dass wir füreinander geschaffen waren.
    »Schluss mit schlechter Laune. Heute Abend koche ich für dich, Überraschung inklusive. Komm gegen acht bei mir vorbei. Clemens. P. S. Was trägst du drunter?«
    Rot, scharlachrot, nein puterrot lief ich an. Hoffentlich bemerkte Michi meine gesunde Gesichtsfarbe nicht, sonst musste ich mir einen Alibiliebhaber zulegen.
    Schnell tippte ich meine Antwort.
    »Schlechte Laune schon verflogen. Was ich drunter trage? Komisch, das hat mich Dr. Stegmaier gerade in der Küche auch schon gefragt …«
    Dr. Stegmaier war Mitglied des Vorstands, Anzugträger und stets gestriegelt, was ihn aber nicht abhielt, ungeniert der weiblichen Belegschaft auf den Busen oder Hintern oder die Beine zu starren, je nachdem, welches Teil besonders bevorzugt von der Natur ausgestattet worden war. Wie wir aus zuverlässiger Quelle wussten, war er Wäschefetischist, was an sich bei Männern ja nichts Ungewöhnliches war. Spitzenwäsche, Strapse und halterlose Strümpfe sind eben nett anzusehen, doch Dr. Stegmaier schien ansehen nicht auszureichen. Er wollte das Nylon auf seiner Haut spüren und zog angeblich selbst halterlose Strümpfe an. Unsere Praktikantinnen, die knapp bei Kasse waren, kein Wunder bei dem Hungerlohn, hatten schon oft die Köpfe zusammengesteckt und sich ausgemalt, wie schön doch alles sein könnte, wenn man Dr. Stegmaier unter amerikanischem Arbeitsrecht als Vorstand hätte, und wie viel Schadensersatz man wohl bei sexueller Nötigung bekommen konnte.
    Clemens’ Antwort folgte prompt.
    »Tüchtiger Mann, Dr. Stegmaier, einfach einer unserer Besten. Hab ich schon immer gewusst, aber du weißt hoffentlich, was du zu antworten hast, falls er dich fragt, ob er deine Wäsche tragen darf?«
    »Dass er bitte darauf achten soll, nichts auszuleiern?«, schrieb ich zurück und musste kichern.
    »Nein, dass du ihn gegen ein noch festzulegendes Entgelt gerne regelmäßig mit deiner getragenen Wäsche versorgst, dann kann er sich auch die teuren Bestellungen aus Japan künftig sparen. Dein dich vermissender Zuhälter.«
    Ich lachte laut los.
    Michi schaute interessiert auf.
    »Na, wieder besser drauf? Was ist denn so witzig?«
    Ich redete mich damit raus, Sarah habe einem lästigen Verehrer eine Abfuhr erteilt, und machte mich daran, einen Artikel meines liebsten freien Mitarbeiters über Truffaut zu redigieren.
    Punkt sieben ließ ich den Griffel fallen, spurtete nach Hause, parkte zweite Reihe, es war natürlich wie immer nichts frei am Helmholtzplatz, sprang unter die Dusche und zog mich um. Wieder im Auto drehte ich Radio eins auf und sang lauthals zu einem alten Morrissey-Song mit. Clemens wohnte im Westen, im Reicheleuteviertel in Zehlendorf, wo auch einige Freunde meiner Großeltern lebten. Ich fuhr über den Ku’damm, was ich gleich bitter bereute, denn um diese Zeit gab es Stau ohne Ende. Bis acht schaffte ich es bestimmt nicht, aber die Vorfreude würde sich jetzt noch

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