Flaschendrehen: Roman (German Edition)
Wohnzimmer direkt auf den See, die Böden waren mit einem alten, gut erhaltenen Holzboden ausgelegt, verwinkelte Zimmer mit Einbauschränken und Doppelglasfenstern gaben der Wohnung ihren verwunschenen Charme. So müsste eine Wohnung aussehen, wenn Schneewittchen und Jil Sander in eine WG ziehen würden. Nur an Möbeln und Bildern fehlte es. Ein schlichtes Futonbett im Schlafzimmer, ein naturbelassener Holztisch mit zwei Stühlen in der Küche und ein Fernseher mit einem großen Sitzkissen im Wohnzimmer waren alles, was Clemens als Einrichtung besaß.
»Hast du denn gar keine Bücher, Filme oder CD s?«, fragte ich.
Als Antwort öffnete er einige Einbauschränke, in denen sich Kartons stapelten.
»Die Kartons, die du siehst, sind mein gesamtes Hab und Gut. Ich habe mir abgewöhnt, Filme, Bücher oder CD s zu sammeln. Meistens umgibt man sich doch nur mit ihnen und benutzt sie, abgesehen von einigen wenigen, kein zweites Mal. Irgendwann habe ich bewusst entschieden, so wenig wie möglich besitzen zu wollen, um frei und wach zu bleiben. Ich will nicht mein Leben lang für ein Haus, eine Wohnung, also einen Haufen Steine arbeiten und gebunden sein müssen. Man sollte sich immer Möglichkeiten offen halten, außerdem kommt diese Lebensweise meinem bisherigen Nomadenleben sehr entgegen.«
Nomadenleben! Diese Vokabel hatte er schon öfter benutzt, es klang immer so, als ob er auf dem Sprung war, was mir gar nicht passte und kleine Alarmglocken läuten ließ. Hoffentlich legte sich sein unruhiges Blut langsam, oder er nahm mich ab jetzt auf Entdeckungsreise mit. Clemens zuliebe würde ich auch nach Bitterfeld ziehen.
In der Küche duftete es verführerisch, mein Magen knurrte hörbar. Clemens lachte und gab mir ein Zeichen, am Tisch Platz zu nehmen.
»So, das Essen steht unter einem Motto, du wirst überall Hinweise finden. Wenn du sie richtig zusammensetzt, kommst du alleine auf die versprochene Überraschung.«
Aufmerksam schaute ich mich um. Es gab nicht viel, was ich als Hinweis deuten konnte.
Clemens stand am Herd und bereitete die Vorspeise vor. Es sah so einfach, gekonnt und ziemlich sexy aus, wie er mit Schüsseln, Löffeln und Brettchen herumhantierte. Garnelen in Knoblauch und Butter geschwenkt mit frischer Petersilie, dazu frisches Baguette. Hm, was könnte der Hinweis sein? Ein Besuch im Aquarium?
Im Hintergrund lief leise Musik. Spanische oder italienische Musik, wenn mich nicht alles täuschte. Bei genauerem Hinhören war es ein italienisches, sehr langsames, melancholisches Lied und wunderschön romantisch.
»Was ist das für ein Lied?« Es klang älter und war keines der typischen Mainstream Italoschlagerexporte à la Tiziano Ferro oder Eros Ramazzotti.
» Il cielo in una stanza heißt es. Es ist ein bekanntes Lied aus den Sechzigern von Gino Paoli. Er singt davon, wie sich alles in einem Raum ändert, wenn seine Liebste da ist, die Decke plötzlich zum Himmel wird und eine unglaubliche Magie den Raum füllt. Es ist eins meiner Lieblingslieder«, sagte Clemens verträumt, und für einen kurzen Moment hatte ich das Gefühl, dass er eine bestimmte Erinnerung mit dem Lied verband, beschloss aber lieber nicht nachzufragen.
Als nächsten Gang gab es eine kleine Portion Pasta mit Steinpilzen, die Hinweise auf Italien schienen sich zu häufen, ich war mir ziemlich sicher, als er mir noch einen Custozza, einen leichten Sommerwein, einschenkte.
Ich wagte einen Versuch.
»Hat die Überraschung mit Italien zu tun?«
Anscheinend ja, denn Clemens fuhr mir über den Kopf.
»Kluges Mädchen, das war leicht, aber jetzt wird’s schwieriger.«
Egal was es war, solange es mit Italien zusammenhing, konnte er nichts falsch machen. Seit ich mit siebzehn das erste Mal in Rom die unfassbaren Farben und fast 3-D-artig gemalten Wände der Sixtinischen Kapelle gesehen hatte und anschließend die umwerfend gut aussehenden Männer, nicht die Sorte, die einem »Ciao, bella bionda« auf der spanischen Treppe hinterherruft, sondern die stolzen Männer mit Geschmack, hatte ich mich in das Land mit dem besten Essen der Welt und den schönsten Trümmern, die eine vergangene Weltmacht vorweisen konnte, verliebt.
Als Hauptgang gab es Fisch, das konnte alles Mögliche bedeuten. Clemens schenkte mir Wein nach, die Wirkung blieb nicht aus, ich musste über alles, was Clemens sagte, lachen, auch wenn es nicht lustig war.
Es schmeckte alles so frisch und raffiniert, der Wein und die Musik rundeten den Abend perfekt ab.
Als
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