Flaschendrehen: Roman (German Edition)
Woche würde grausam werden, so viel stand fest. Ich hasste es, wenn ich es schon vorher wusste. Unliebsame Überraschungen gab es ja immer, die einem die Laune verderben konnten, aber wenn man schon vorher wusste, dass zwei unangenehme Themen anstanden, wollte man am liebsten gar nicht erst aufstehen und wünschte sich mal wieder eine eineiige Zwillingsschwester, die einen vertreten konnte.
Sarah kam Freitag von ihrer zweiwöchigen Fortbildung zurück. Wir hatten uns schon für Freitagabend bei ihr verabredet, und dieses Mal würde ich reinen Tisch machen, es gab keinen Aufschub mehr.
Der zweite Termin war ein beruflicher und nicht minder unangenehm. Mittwoch durfte ich die Starregisseurin Cathy McGillivray interviewen, was an sich eine spannende und tolle Aufgabe war, nur leider handelte es sich ausgerechnet um eine Zweierrunde mit Ilona Richter. Keine Ahnung, weshalb sie als Chefredakteurin selbst noch ein Interview führte, dafür hatte sie eigentlich Redakteure, aber entweder pickte sie sich die Rosinen raus und war promigeil oder sie ließ es sich nicht nehmen, persönlich gegen Phosphor auf der Matte zu stehen.
Nachdem Ilona keine Gelegenheit ausließ, gegen uns zu schießen, mal öffentlich, mal subtil, machte ich mich auf ein ätzendes Interview gefasst, vor allem seit ich von Feline vorhin auf dem Klo erfahren hatte, dass Feline von der Netzwerk zur einflussreichsten Frau im Printbereich gewählt worden war, wofür auch Ilona eine Nominierung erhalten hatte. Wenn Ilona etwas nicht mochte, war es, nicht genug Aufmerksamkeit zu bekommen, und wenn sie etwas hasste, dann zu verlieren, vor allem gegen Feline.
»Ich will nicht wissen, wer von ihren Leuten wieder unschuldig als Blitzableiter herhalten musste, als sie erfahren hat, dass sie nicht gewonnen hat«, hatte Feline kopfschüttelnd überlegt und ihre Hände unter den Trockner gehalten. Sie sah müde aus.
»Alles klar bei dir?«, wagte ich nachzufragen. Sie lächelte.
»Im Prinzip ja, mein Kleiner ist krank, und ich habe die ganze Nacht kein Auge zugetan. Jakob ist in New York.«
Jakob, Felines Mann, war irgendein hohes Tier in der Automobilbranche. Sie hatte ihn mir vor kurzem vorgestellt, als er sie abgeholt hatte. Abgesehen davon, dass Jakob offensichtlich vernarrt in Feline war, war er eine große, beeindruckende und sympathische Erscheinung. Bestimmt war er nicht immer einfach, aber Feline liebte Herausforderungen, mit einem gewöhnlichen Mann konnte ich sie mir nicht vorstellen, sie musste sich auch privat reiben können.
»Wie bekommst du das alles unter einen Hut? Ich falle abends auch ohne Kind immer schon todmüde ins Bett.«
Es war mir wirklich ein Rätsel. Soweit ich wusste, hatte sie kein festes Kindermädchen, dafür zwei Tage, an denen sie von zu Hause aus arbeiten konnte, und ab und zu nahm sie ihren Kleinen einfach mit ins Büro. Der krabbelte dann während der Meetings munter auf dem Boden herum und leerte den Papierkorb aus, um seelenruhig wieder alles einzuräumen. Damit war er erst einmal beschäftigt.
»Ach weißt du, man muss eben ein wenig mehr organisieren, und Jakob hilft in der Regel ja auch mit und hat einen Tag, an dem er sich um den Kleinen kümmert. Das geht schon alles, nur Mut, das schaffst du auch. Wir können alle viel mehr, als wir immer glauben«, munterte sie mich auf.
Diese Energie und Zuversicht wollte ich auch haben, wenn ich hoffentlich bald Familie und Job unter einen Hut bringen musste.
Momentan fühlte ich mich alles andere als energetisch. Mein sonst so fröhliches Wesen war tief vergraben, und man merkte es mir deutlich an. Michi fand kein offenes Ohr für ihre Probleme, Marion musste allein lachen, und Diane bekam von mir Blicke zugeworfen, die übersetzt heißen sollten, wage ja nicht einen dummen Kommentar zu lassen, was von ihr mit einem »Die hat wohl ihre Tage« quittiert wurde – und zwar laut genug, damit es jeder hören konnte, Clemens inklusive.
Clemens hingegen war der Einzige, der definitiv wusste, dass ich nicht meine Tage hatte. Dummerweise stand heute eine Pressevorführung des neuen Rosenstein -Blockbusters an, ausgerechnet eine Komödie. In meiner Gemütslage war es keine gute Idee, sich einen fröhlichen Film anzuschauen, den man rezensieren sollte. Einen depressiven Kunstfilm gern, da konnte man sich dann reinsuhlen, sich selbst bemitleiden und ’ne passende Kritik schreiben. Aber in dieser Stimmung über Hollywoodmainstream schreiben zu müssen war nicht fair. Vielleicht hatte
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