Flaschendrehen: Roman (German Edition)
Ich musste an unsere gemeinsamen Urlaube denken, in denen wir nicht nur einmal bestohlen worden waren, meist völlig übermüdet in den Tag hineingelebt hatten und uns mit einer gehörigen Portion Leichtsinn in spanische, französische Jungs verliebt hatten, mit denen wir am liebsten eine Doppelhochzeit in einer kleinen Kapelle am Meer gefeiert hätten.
Ich versorgte Sarah mit Büchern und Filmen, wenn sie krank war, und sie zeigte mir, dass man Kleider ganz einfach umnähen konnte. Niemand kannte mich so in- und auswendig wie Sarah, wusste, wer ich war, wo ich herkam, wie meine Familie tickte. Niemandem vertraute ich so sehr wie ihr, und umgekehrt war es genauso. Uns verband einfach zu viel, als dass ein Mann das zwischen uns ändern könnte, auch wenn dieser Mann Clemens hieß und zugegebenermaßen eine Ausnahme darstellte.
»Da bist du ja endlich! Ich hab dich schon vermisst.« Sarah fiel mir strahlend um den Hals. Das hatte ich auch, es tat gut, sie zu sehen.
»Komm rein, ich hab uns ’nen riesigen Salat mit Nüssen und angebratenem Speck gemacht.«
Ihre Wohnung sah wie immer aus, als ob gleich das Preisrichterteam der Schöner Wohnen vorbeikommen würde. Automatisch zog ich meine Schuhe aus und schlüpfte in meine Hausschuhe. Ja, ich hatte mein eigenes Paar Hausschuhe bei Sarah, um keinen Straßendreck auf dem Boden zu verteilen.
In der Küche stand schon alles perfekt angerichtet und dekoriert auf dem Tisch. Sarah schenkte mir Wein ein und begann, von der Fortbildung in München zu erzählen und wie es in Italien bei Dani gewesen war.
Daniela war eine gemeinsame Freundin aus Studienzeiten, die ein Auslandssemester in Mailand eingelegt hatte, um ihre Italienischkenntnisse aufzufrischen, tatsächlich hatte sie andere Kenntnisse aufgefrischt, denn nach einigen Monaten war sie von Leonardo, einem ihrer Kommilitonen, schwanger gewesen. Zum Glück waren die beiden richtig verliebt und lebten heute am Luganer See. Daniela arbeitete beim Goetheinstitut in Mailand und wollte nicht mehr nach Deutschland zurück.
»Das ist traumhaft schön dort. Das nächste Mal musst du unbedingt mit. Diese Ruhe und Landschaft ist einfach zum Verlieben. Ich verstehe die Italiener nicht, die meinen, die Seen wären nur was für alte Leute, und finden sie irgendwie traurig. Sie verstehen nicht, wieso die Süddeutschen immer an den Luganer und Comer See verreisen. Sie zieht es ans Meer.«
Sarah sah erholt aus. Hoffentlich hatte sie Clemens durch die Ablenkung und vielen neuen Eindrücke vergessen.
Während des Essens vermied ich, das Thema auf Clemens zu lenken, und ließ Sarah einfach nur erzählen. Als Nachtisch gab es heiße Schokolade mit Sahne. Sarah machte die weltbeste heiße Schokolade mit frischer Milch, aber nicht der fettarmen. Wir tranken immer eine heiße Schokolade bei ihr, egal ob Sommer oder Winter, das war unser Ritual. Wir machten es uns im Wohnzimmer auf ihrer Couch bequem.
Sarah legte ihre Beine über meine.
»Jetzt hab ich die ganze Zeit nur von mir erzählt. Sag doch mal, was hier los war, als ich weg war? Hab ich etwas verpasst? Was macht Diane? Schleimt sie immer noch deine Mutter zu? Und das Wichtigste natürlich, was ist mit Clemens? Hab ich dir erzählt, dass wir uns getextet haben?«
Nein, hatte sie nicht.
»Ja, er hat mich etwas Medizinisches gefragt, das war aber bestimmt nur ein Vorwand.« Sie kicherte.
Ich nahm all meinen Mut zusammen und setzte mich aufrecht hin.
»Ich fürchte, das war es nicht. Sarah, es tut mir Leid, aber ich muss dir was sagen. Glaube mir, ich hab tausendmal hin und her überlegt, wie ich es dir am schonendsten sagen kann, aber da es nie eine gute Nachricht sein wird, mach ich es kurz. Es ist zwar noch ganz frisch, aber Clemens hat sich für mich entschieden, wir sind zusammen.« Endlich war es raus!
Sarah sah mich ungläubig an, vielleicht hoffte sie, ich habe einen Scherz gemacht. Aber da sie mich zu gut kannte, verstand sie schnell, dass ich die Wahrheit sagte.
Sie schüttelte den Kopf.
»Autsch. Das tut weh. Ich weiß auch nicht, warum, aber ich hätte schwören können, dass er meine Gefühle erwidert. Oh Mann, ich blöde Kuh! Das ist mir ja noch nie passiert, dass ich mir so was einbilde. Seit wann seid ihr denn zusammen?«
Sarah wäre nicht Sarah, wenn sie nicht vernünftig und rational reagieren würde. An ihrer Stelle wäre ich schon lange in Tränen ausgebrochen und hätte ein Drama daraus gemacht. Nicht so Sarah. Verletzt und traurig wie sie war, versuchte
Weitere Kostenlose Bücher