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Flaschendrehen: Roman (German Edition)

Flaschendrehen: Roman (German Edition)

Titel: Flaschendrehen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Greifeneder
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Gab es so ein Erlebnis in ihrem Leben?«
    Ich hielt selbst erst einmal die Luft an. Mir war klar, dass das der entscheidende Moment des Interviews war. Sie konnte auf die Frage eingehen, und dann befanden wir uns im Privaten und hatten die Interviewebene gewechselt, oder sie blockte diese und somit alle weiteren persönlichen Fragen ab, vielleicht mit einem »Das ist mir zu privat« oder einer allgemeinen Floskel, dass jeder Mensch im Leben schwere Phasen hätte. Ihre Pressedame blinzelte nervös, Cathy hingegen ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Sie rührte ihren Latte macchiato um, sah mich mit ihrem direkten Blick an und antwortete: »Ja, solch ein Erlebnis gab es, als meine Schwester vor einigen Jahren plötzlich einen Schlaganfall mit Mitte zwanzig hatte.«
    Auf dem Tennisplatz hätte ich jetzt die Beckerfaust gemacht. Aufschlag Gretchen.
    »Ich habe einen älteren Bruder, mit dem ich mich sehr gut verstehe, bei der Vorstellung, er würde so schwer erkranken, wird mir geradezu schlecht. Ich wäre komplett hilflos, wie ich ihm helfen könnte oder was man in so einer Situation sagt. Wie ist es Ihnen ergangen?«
    Unglaublich, aber wahr, Cathy schien mich zu mögen und beantwortete alle Fragen, angefangen von »Wie geht es Ihrer Schwester heute?« bis hin zu »Wie viel von der Geschichte Ihrer Schwester steckt in dem Film?« und »Wie reagierte Ihre Schwester, als sie den Film das erste Mal sah?«.
    Den Artikel würde ich ganz unter das Thema Schwestern stellen, genug privates Material hatte ich jetzt. Spiel, Satz und Sieg Gretchen Fingerhut, jubelte ich innerlich.
    Ilona Richter klinkte sich mit einer super originellen Frage wieder ein, nämlich wie es denn gewesen sei, mit Violette Sunder, der Hauptdarstellerin des Films, zu arbeiten. In diesem Stil stellte sie noch zwei Fragen, dann war das Interview beendet.
    Gerade wollte ich aufstehen, um mich für das Interview zu bedanken und zu verabschieden, da zog Ilona Richter eine Kamera aus der Tasche, drückte sie mir in die Hand und rief: »Can you take a picture of Cathy and me?« , und stellte sich, ohne eine Reaktion abzuwarten, neben Cathy McGillivray, legte ihr einen Arm um die Schulter und zeigte ihr mit Kronen überzogenes Lächeln. Sprachlos drückte ich ab.
    Es gab ein ungeschriebenes Gesetz, und das hieß, dass man als seriöser Kritiker eine gesunde Distanz halten sollte. Gesunde Distanz konnte Ilona wahrscheinlich nicht mal buchstabieren, mir war auf alle Fälle klar, weshalb sie diesen Beruf ergriffen hatte, bestimmt nicht, weil Filme oder Bücher ihre Leidenschaft waren. Nein, hier ging es um schnödes Promischmücken, selbst Mittelpunkt sein und am besten auf jeder Gästeliste stehen. Mich wunderte nur, dass so etwas im Alter nicht langsam verging. Wenn man als pubertierender Teenager – von mir aus auch noch mit Anfang zwanzig – von Ruhm und Berühmtheit geblendet war, okay, aber mit Anfang vierzig sollte man doch einen anderen Lebensinhalt gefunden haben.
    Cathy McGillivray zwinkerte mir amüsiert zu, was Ilona natürlich nicht bemerkte, dafür müsste man ja feine Antennen haben oder gar fähig sein zur Selbstreflexion.
    Ich verabschiedete mich und machte mich so schnell wie möglich vom Acker.
    »Warten Sie einen Moment, Gretchen!«
    Hilfe, der Kettenhund war hinter mir her. Langsam drehte ich mich um.
    »Ich würde dich gerne kurz sprechen!« Ilona Richter lächelte mich warm an, nahm mich am Arm und führte mich Richtung Bar. Was war denn mit der passiert? Woher der plötzliche Sinneswandel? Nur weil ich ein Foto von ihr und Cathy geschossen hatte?
    »Einen frisch gepressten Ananassaft für die Dame und einen Kaffee für mich, bitte«, bestellte sie.
    Sie lächelte mich immer noch freundlich an und rückte mit ihrem Hocker etwas näher.
    »Du hast dich bestimmt gefragt, weshalb ich heute bei diesem Interview war, oder nicht?«
    Das hatte ich allerdings, wie gesagt, es war nicht gerade üblich, dass die Chefredakteurin zu einem solchen Interview persönlich erschien.
    Ich nickte.
    »Nun, das hatte seinen guten Grund. Ich will ganz offen sein. Ich bin nicht gekommen, weil mich Cathy McGillivray oder der Film interessiert hätten. Wie du gemerkt hast, habe ich mich nicht besonders angestrengt. Nein, ich bin heute nur aus einem Grund gekommen, und der bist du, Gretchen.«
    Wie bitte? Jetzt war ich an der Reihe zu staunen.
    Mein Gesichtsausdruck musste meine Verblüffung widergespiegelt haben, denn Ilona Richter lachte los und tätschelte mir

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