Flaschendrehen: Roman (German Edition)
auffällig. Die Flasche hielt unter großem Geschrei vor mir, nein doch nicht, sie zeigte zum Glück knapp neben mir auf Sarah. Die Arme, ich wusste, wen sie eigentlich gern küssen würde. Sarah zögerte nicht lange, kroch auf Ben zu, gab ihm einen kurzen freundschaftlichen Kuss auf den Mund und zog sich wieder auf ihren Platz zurück. Liv, die die Geste nicht verstanden hatte, zischte »Wie, die etwa auch?«, was sich eindeutig darauf beziehen sollte, dass nicht nur ich hinter ihrem Ben, sondern jetzt auch Sarah hinter ihm her war. Warum tat Liv sich das an? Es gab für sie keinen anderen Mann als Ben, und jede Frau, die auch nur wagte ihn zu grüßen, war eine potenzielle Konkurrentin und musste aufs Härteste bekämpft werden. Bestimmt verfluchte sie, die die Eifersucht für sich gepachtet hatte, den Moment, in dem sie leichtsinnig diesem Spiel zugestimmt hatte. Jetzt, wo ich mit Clemens zusammen war und Liv mich nicht mehr ganz so nervte, konnte ich sie mit Abstand und etwas objektiver betrachten. Sie war sehr hübsch, auffallend hübsch mit den glatten, langen dunklen Haaren und den hellen grünen Augen, groß, schlank und hatte perfekte Zähne. Sie war das, was Männer als Feger bezeichneten und Mädchen als Albtraum, denn was ihr Wesen anging, war sie eindeutig auf Männer fixiert und konnte mit Frauen nicht viel anfangen. Soweit ich wusste, hatte sie gerade mal eine Freundin, selbstverständlich potthässlich und somit keine Gefahr. Sobald ein Mädchen hübsch war, wurde sie von Liv als suspekt eingestuft. Liv war eindeutig ein Papakind und musste den von Kindesbeinen an um den Finger gewickelt haben. Diese Masche hatte sie immer noch drauf, und die großen bittenden Augen zusammen mit dem süßen Kussmund mussten eine Wirkung auf Geldbeutel und Jungs haben, die legendär war. Wie sonst hatte sie es geschafft, Ben zu bekommen und festzunageln? Gemeinsame Interessen konnten es kaum sein. Ben mit seinem unglaublichen Wissen über Bücher und Filme und seiner großen Liebe zur Musik.
Die Flasche drehte sich noch einmal weiter, Rudis Kumpel küsste eine von den Teletubbies.
Diane stand auf, nahm die Flasche in die Hand und rief:
»So, jetzt kommen wir zur zweiten Runde. Die Spielregeln sind klar? Wenn die Flasche auf einen zeigt, bestimmt derjenige zwei Personen, die sich küssen müssen. Noch Fragen?«
Ja, wann hatte das wohl bei ihr angefangen, dass sie sich so ekelhaft verhielt? Bekam man das in die Wiege gelegt, oder musste man sich das hart erarbeiten? Lernte man am Vorbild, oder brauchte es Talent? Alles Fragen, die ich lieber gestellt hätte, als in die verflixte zweite Runde Flaschendrehen zu gehen.
Dafür war es zu spät, die Flasche suchte sich bereits ein Opfer. Es war Michi, zum zweiten Mal. Ich war beruhigt. Da Michi auf Clemens stand, würde sie alles tun, aber bestimmt nicht ihn eine andere küssen lassen. Und richtig, Michi entschied sich für Rudi und Leila. Das war eine gute und freundliche Geste, denn wer nicht ganz blind war, konnte sehen, dass die beiden ständig flirteten und es ihnen somit nicht unangenehm sein konnte, sich zu küssen. Grinsend kamen sich beide auf allen vieren näher, bis in die Mitte, und küssten sich deutlich länger als nötig. Man musste sie geradezu wieder auseinander drängen. Leila, deren Name zuerst genannt wurde, musste die Flasche weiterdrehen und damit den nächsten Auswähler bestimmen. Mit leuchtenden Wangen und entrücktem Blick kam sie ihrer Aufgabe nach. Die Flasche fiel auf das Starlight-Express-Mädchen, die ihrerseits ein Teletubbie Mädchen und einen Typen bestimmte, den ich nicht kannte. Das Spiel war unspektakulär, wenn man diejenigen nicht kannte, die an der Reihe waren. Der Typ drehte weiter, und die Flasche stoppte vor Liv. Somit war schon mal klar, dass Ben in dieser Runde aussetzen würde. Liv genoss die Aufmerksamkeit, die ihr zuteil wurde, und ließ sich Zeit mit ihrer Wahl, bestimmt überlegte sie, wem sie wie am besten eins auswischen konnte. Sie spielte am Flaschenhals herum, während sie lauter Hms ausstieß, bis Rudi, dessen Stärke noch nie die Geduld gewesen war, genug hatte und sie aufforderte, endlich zwei Namen zu nennen.
Eingeschnappt ließ sie überzogen gedehnt verlauten: »Na gut, ich nehme Clemens und Sarah.«
Diese linke Bazille! Entweder hatte Ben nicht dichtgehalten, oder Diane, die gute Seele, hatte Liv in der noch jungen, aber umso intensiveren Freundschaft upgedatet, wer alles so Interesse an Clemens hatte,
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