Flashback
… einen Trockenschuss abgeben.«
»Wie wenn du ein Mädel besteigst?« Monk wieherte.
»Klappe«, zischten Val, Coyne, Sully und Gene D. gleichzeitig. Sie mochten es nicht, wenn die Jüngeren ungefragt redeten.
Coyne zielte mit der magazinlosen Halbautomatik auf Sully. »Ich geb sie dir, wenn du damit umgehen kannst. Kann sie jetzt schießen?«
»Nöh«, lachte Sully. »Der Stift ist … «
»Das Magazin«, verbesserte Coyne.
»Mein ich ja. Das Magazin ist draußen. Ich seh die Kugeln im … Magazin. Die Knarre ist harmlos.«
Auch Val sah die Kugeln, zumindest die oberste im Magazin: Messingmantel, Bleispitze, eingekerbt wie mit einem Taschenmesser. Er hatte ein komisches Gefühl, erregend wie das Donnern der Harleys.
Coyne fuhr Sully an. »Du bist ein Schwachkopf. Hättest dich umbringen können oder mich oder einen von den anderen Saftärschen hier.« Coyne zog den Schlitten der alten Waffe zurück, und eine Patrone, die in der Kammer war, fiel heraus. Er fing sie auf.
»Da war noch eine im Rohr«, sagte Coyne leise. »Du hättest dir den Schwanz weggeschossen. Oder einen von uns umgenietet.«
Sully grinste und blinzelte heftig. Er war noch immer so scharf darauf, die Pistole zu halten, dass ihn die Zurechtweisung völlig kaltließ.
Der Penner hätte wirklich einen von uns über den Haufen knallen können , dachte Val.
Coyne schob den Sicherungsriegel über den roten Punkt und drückte auf den Abzug, so dass der Schlitten wieder einrastete. Dann reichte er die Waffe Sully, seinem ältesten Freund und ersten Anhänger. Die anderen drängten sich enger um Sully, während Coyne und Val zurücktraten.
Val blickte hinaus auf die Stadt.
Im Südosten war das Zentrum mit den Resten der Bürotürme, unter anderem dem Stummel des US Bank Tower – den alte Säcke wie sein Großvater noch immer Library Tower nannten – und dem Trümmerhaufen des Aeon Center. Die meisten anderen noch existierenden Türme waren verlassen und trugen ihre Antiterrorkondome.
Aber Val interessierte sich nicht für alte Gebäude.
Wie jeder inzwischen sah er Los Angeles in Sektoren unterteilt, als würden die einzelnen Reviere in verschiedenen Farben pulsieren. Im Süden und Osten lag das Latinorevier, überwiegend Reconquista. Geradeaus im Süden hinter den leeren Downtownschluchten waren Nigger- und Chinkfestungen und drum herum weitere Reconquista-Areale. Hinter Val im Norden gab es echte Chinesen-, Asiaten- und Schwarzenreviere, die aber alle langsam dem Vormarsch der Reconquista wichen, während weiter im Westen
und Norden die Anglos den Mulholland Drive in eine Privatstraße umgewandelt hatten und das hoch liegende Gelände mit Toren, Elektrozäunen und Bürgerwehr abschirmten. Die japanische Grünzone oben in den westlichen Hügeln hinter der 405, wo früher das Getty Center gestanden hatte, war umgeben von Gräben, elektrischen Zäunen, Sicherheitspatrouillen und drohnengeschützten Todeszonen. Dazu gab es Hunderte weitere, unbedeutende – aber heftig verteidigte – Reviere in L. A ., und jedes einzelne verfügte über eigene Kontrollpunkte, Straßensperren und Todeszonen.
Bei den reichen Ärschen in Beverly Hills, Bel Air, Pacific Palisade und in Teilen von Santa Monica spielte sich momentan das echte Nachtleben ab, aber Vals Großvater hatte kein Auto, also kam er dort nicht hin. Außerdem wäre die Gang sowieso nicht in diese schwerbewachten Reichenviertel reingekommen. Coynes jämmerliche Flashgang war zu Fuß unterwegs, da blieb der Pazifik so unerreichbar wie der Mond.
»Willst du sie mal halten?« Coyne sah Val an.
Coyne hatte mit der halbautomatischen Beretta die Runde gemacht wie ein Priester mit der Hostie, und jetzt war Val an der Reihe.
Er nahm die Pistole. Obwohl Coyne das Magazin noch in der Hand hatte, war sie überraschend schwer, und der schraffierte Kolben oder Griff, oder wie man das nannte, lag kühl in Vals feuchter Hand. Obwohl er keinen Schimmer hatte, was er da eigentlich machte, zog er den Schlitten zurück und spähte in die leere Kammer.
»Geil, was?« Coyne wurde von den anderen umringt wie von eifrigen Jüngern.
»Ja, echt geil.« Val zielte auf den fernen Stummel des US Bank Tower. »Bamm.«
Coyne lachte, und die anderen kicherten los wie Hirnamputierte.
Val überlegte, wen er abknallen könnte, falls ihm Coyne die geladene Waffe überließ. Seinen Großvater natürlich, aber eigentlich hatte Leonard Val nichts getan, war nur immer um ihn rumgeschwirrt wie ein Ersatzvater. Einen
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