Flashback
von Denver, wo der Bundesschutz endete. Hinter Vail hausten die Drachen.
»Wie hat es einer Ihrer Leute mit einer Kamera bis drei Meter vor mein Auto geschafft?«
»Stealthanzug.« Der kleine, aber geradezu lächerlich wuchtige Mann schien völlig entspannt.
Nick verschlug es die Sprache. Stealthanzüge waren etwas für Geheimdienste wie die inzwischen längst aufgelöste CIA und für Science-Fiction-Filme. Wie konnten die Kosten eines Stealthanzugs gerechtfertigt sein, nur um Nicholas Bottom zu einem Vorstellungsgespräch zu folgen? Selbst wenn sie es darauf abgesehen hatten, ihn mit dem Filmmaterial zu blamieren – warum dieser Aufwand? Und wie hatten sie den Agenten im Stealthanzug so nahe an Nicks Wagen gebracht, bevor Nick auf Flash weggeknackt war? In einem Stealthfahrzeug vielleicht? Das war doch James-Bond-Müll aus dem letzten Jahrhundert.
Bestimmt hatte sich Sato einen Witz erlaubt. Aber Nick, der noch immer über die Fähigkeit eines Cops verfügte, an subtilen äußeren Zeichen zu erkennen, ob jemand log (bei einigen Gestalten in der Innenstadt war es leicht: Sie bewegten die Lippen), wurde aus Sato einfach nicht schlau. Bis auf das gelegentliche Aufblitzen von Verachtung, Geringschätzung und Belustigung war nichts zu erkennen. Unter der Schicht, die Abendländer wie Nick als japanische Undurchdringlichkeit bezeichneten, trug Sicherheitschef Sato eine weitere, wahrscheinlich professionelle Maske.
»Und die Luftaufnahmen«, fragte Nick, »alles von Mikrodrohnen ?«
»Nicht alle Mikro«, antwortete Sato. »Eine war satellitengespeist. «
Nick lachte laut. Sato verzog keine Miene.
Ein unbemanntes Fluggerät und ein Aufklärungssatellit, um zu beobachten, wie ich mir Flashback reinziehe? Was für eine abstruse Vorstellung.
Sato lag weiter da wie ein umgekippter Buddha, die Finger über dem breiten, mit schweren Muskeln bepackten Bauch gefaltet.
Auf dem I-70-Stück mit sechs Prozent Gefälle bremste Nick leicht, bis der Wagen nur noch im Schneckentempo dahinkroch; er gab sich der vermessenen Hoffnung hin, dass dieses Manöver den
lahmen Lithium-Ionen-Batterien ausreichend Saft ließ, um nach Hause zu kommen.
Er wechselte das Thema, um Sato vielleicht noch mehr zu entlocken. »Wie haben Sie Ihrem Chef das Wort Gelding übersetzt?«
»Als männliches Pferd, desssen Hoden entfernt wurden. Ist das richtig?«
»Ja«, er widerte Nick. »Haben Sie keine Geldings in Japan – alte Hybridfahrzeuge, deren Benzinmotoren ausgebaut worden sind?«
»Verboten in Japan. Bei uns werden Autos jedes Jahr überprüft und müssen alle modernen Vorschriften befolgen. Nur wenige Automobile sind älter als drei Jahre. In Japan sind wasserstoffbetriebene Fahrzeuge – wie heißt es? – die Norm.«
Fahlzeuge.
Den Blick auf die Anzeigen geheftet bremste Nick weiter, um die Batterien am Leben zu halten. »Mr. Nakamura mag anscheinend keine alten Filme.«
Sato produzierte diesen tiefen Laut in Brust und Kehle.
Nick hatte keine Ahnung, wie er diese Äußerung deuten sollte. Es war wohl besser, wieder das Thema zu wechseln. »Wissen Sie, ich glaube diese Verbindungsidee wird nicht funktionieren.«
»Velbindung?«
Nick verkniff sich jedes Grinsen, fragte sich jedoch allen Ernstes, ob er diesen Begriff ins Spiel gebracht hatte, um Sato zu einer falschen Aussprache zu bewegen.
»Mr. Nakamuras Idee, dass Sie mir überallhin folgen, dass Sie alles melden, was ich sehe und höre, dass Sie an der Ermittlung teilnehmen. Das funktioniert nicht.«
»Warum nicht, Mr. Bottom?«
»Das wissen Sie ganz genau, verdammt«, blaffte Nick. Am Fuß des Hügels gelangte er auf die hohe, überwiegend flache Prärie, die sich von Denver aus fast dreizehnhundert Kilometer weit zum Mississippi erstreckte. In wenigen Minuten musste er entscheiden, ob
er auf der I-70 erst nach Norden und dann nach Osten zum Mousetrap weiterfahren sollte, um nach einem kurzen Stück auf der I-25 zum Speer Boulevard zu gelangen, oder ob er rechts abbiegen sollte, um wie auf dem Her weg über den Highway 6 zum Speer zu kommen. Die zweite Strecke war ein wenig kürzer, die erste vielleicht ein bisschen einfacher für die schwachen Batterien.
»Meine Zeugen und Verdächtigen reden nicht, wenn ein Japse mithört. Entschuldigung, wenn ein Japaner mithört. Sie verstehen schon.«
Sato knurrte etwas möglicherweise Zustimmendes.
Nick wandte sich dem Sicherheitschef zu. »Sie waren nicht bei Nakamuras Assistenten oder Sicherheitskräften, die vor sechs Jahren nach
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