Flashback
leisem Gesprächston wandte sich Don Chosch-Achmed Nuchajew zum Schreibtisch. »Bitte ein Glas Wasser für meinen Gast und mich.«
Eine Minute später öffnete sich die Seitentür, und ein guayaberabekleideter Mann mit einem Silbertablett trat ein, auf dem eine eisig beschlagene Kristallkaraffe Wasser und zwei Kristallgläser standen.
Nuchajew schenkte beiden ein und nickte. »Bitte.«
Nick hielt das kalte Glas, ohne zu trinken. Er konnte sich nicht erinnern, wann er zum letzten Mal solchen Durst und so heftige Kopfschmerzen gehabt hatte. Beides vermutlich Folgen des Taserangriffs.
Aber er wartete.
Don Chosch-Achmed Nuchajew lachte unbekümmert und leerte sein Glas in einem Zug. Dann schenkte er sich nach.
Nick nippte vorsichtig. Kein verdächtiger Geschmack. Nur Wasser. »Kann ich Ihnen jetzt ein paar Fragen stellen? Schließlich war das der Grund für unser Treffen.«
»Nur zu, Nick Bottom. Sie sind der Ermittler. Das hat zumindest Mr. Hiroshi Nakamura gesagt, und Mr. Hiroshi Nakamura irrt sich selten. Bitte, bitte, stellen Sie Ihre Fragen.« Nuchajew förderte die nächste Zigarre zutage, bereitete sie vor, zündete sie an und lehnte sich rauchend zurück.
»Wissen Sie, wer Keigo Nakamura getötet hat?« Nicks Stimme war ausdruckslos und hart. Aber die Anstrengung trieb ihm glühend heiße Stachel in den schmerzenden Schädel.
»Ich glaube schon«, antwortete Don Chosch-Achmed Nuchajew.
»Wollen Sie es mir verraten?«
»Lieber nicht.« Ein Lächeln huschte über Nuchajews Lippen.
»Warum nicht? Sagen Sie mir einfach, was Sie wissen oder vermuten. Das würde vielen Leuten das Leben leichter machen. Vor allem mir.«
»Ja, aber Sie sind der Ermittler, Nick Bottom.« Die Worte des Don drangen durch blauen Dunst. »Erstens könnte ich mich täuschen. Zweitens möchte ich Ihnen nicht die Genugtuung nehmen, den oder die Mörder selbst zu identifizieren.«
Nick schüttelte den Kopf, wie um einen klaren Gedanken zu fassen. »Wir wissen, dass Keigo Nakamura fünf Tage vor seiner Ermordung mit seinem kleinen Filmteam zu Ihnen gefahren ist. Seine Assistenten sagen, dass Keigo Sie vor laufender Kamera interviewt hat. Stimmt das?«
»Ja.«
Warum hat er das erlaubt? Mit zusammengekniffenen Augen starrte Nick den Tschetschenen an. Warum sollte sich ein Waffenschmuggler, Drogenhändler, Verkäufer von Informationen und internationaler Experte für alles Illegale vor laufender Kamera für einen albernen Dokumentarfilm über Amerikaner und ihre Flashbacksucht interviewen lassen, und zwar ausgerechnet vom Sohn eines unerbittlichen und vielleicht sogar tödlichen Feindes?
Nick rang darum, die Frage in wenige klare Worte zu kleiden, gab aber rasch auf. Sein Schädel brummte einfach zu sehr. »Hat Keigo bei seinem Aufenthalt hier etwas gesagt oder gefragt, was in Ihnen den Wunsch geweckt hat, ihn zu töten? Was es notwendig gemacht hat, dass er stirbt?«
»Ein Nein auf die erste Frage, Nick Bottom. Ein bedauerndes, aber uneingeschränktes Ja auf die zweite Frage.«
Grübelnd rieb sich Nick die Stirn. »Keigo hat also etwas gesagt,
das jemanden dazu gebracht hat, ihn zu töten. Ist es das, worauf sie rauswollen?«
Ohne ein Wort sog Nuchajew Zigarrenrauch ein und blies ihn wieder von sich, nachdem er ihn genossen hatte.
»Und was er gesagt hat, war auf dem Speicherchip der Kamera? «
»Natürlich«, sagte der Don. »Aber das ist nicht der Grund, weshalb Keigo Nakamura auf diese Weise sterben musste.«
»Und was ist der Grund, Don Nuchajew?«
Mit einem traurigen Lächeln schnippte der Tschetschene Asche in seinen Deckel. »Irgendwann müssen Sie mal nachforschen, was für eine Art von Dokumentarfilm der junge Nakamura da eigentlich gedreht hat. Warum kommt der Spross eines modernen Zaibatsu-Clans, der mit hoher Wahrscheinlichkeit den nächsten Shōgun stellen wird, nach Amerika, um seine Zeit mit einem Film über nutzlose Flashbacksüchtige zu verschwenden? Das war nicht als Beleidigung gegen Sie gemeint, Nick Bottom.«
»Schön. Aber dann erzählen Sie mir doch, was Keigo mit seinem Film bezweckt hat, wenn es nicht um den Flashbackkonsum in Amerika ging. Ich habe viele Stunden ungeschnittenes Bildmaterial gesehen. Es dreht sich immer nur um den Gebrauch von Flashback.«
»Nur darum?«
»Ja, und darum, wie die Dealer es beschaffen …, wie die Droge ins Land transportiert und verkauft wird. Diese Richtung. Alles im Zusammenhang mit Flashback und der Rolle, die es im Leben von Amerikanern spielt. Wollen Sie
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