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Flashback

Titel: Flashback Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Heimfahrt nach Denver verlief völlig ereignislos, was wohl in erster Linie den beiden schwarzen Mercedeslimousinen zu verdanken war, die Don Chosch-Achmed Nuchajew als Eskorte mitgeschickt hatte. Nick hatte keine Ahnung, weshalb Sato dieses Arrangement erlaubte, jedenfalls wurden sie nicht behelligt, obwohl sie östlich und westlich der Interstate Staubwolken bemerkten, die auf Kettenfahrzeuge schließen ließen.
    Sato saß auf dem Beifahrerplatz, während »Willy« Takeru Ōta das Steuer übernahm. »Bill« Akihiro Okada bediente den Geschützturm und »Toby« Shinta Ishii ließ sich hinten auf einem Notsitz gegenüber von Nick nieder. Auf den ersten hundertfünfzig Kilometern wurde Nick das Bild des ersten Oshkosh M-ATV einfach nicht los: die Flammen, die schmelzenden Plastik- und Metallwände, »Joe« Genshiro Itō, von dessen kopflosem Körper binnen Sekunden nur noch Asche und verkohlte Knochen übrig waren. Doch nachdem sie den Ort des Überfalls nördlich von Las Vegas, New Mexico, passiert hatten, entspannte er sich allmählich. Bald darauf nahm er den Helm ab, lehnte den nass geschwitzten Kopf an das Gurtgeflecht und schloss die Augen.
    Was hatte ihm Nuchajew sagen wollen?

    In der abschließenden Nacht im japanischen Konsulat nutzte Nick sechs Stunden seiner Schlafzeit, um sein letztes Flashback zu nehmen. Die meiste Zeit verbrachte er in den jetzt schon vertrauten Momenten mit Dara – die Gespräche gleich nach dem Mord an Keigo, bei denen sie offenbar etwas angedeutet hatte (und denen Nick, beschäftigt mit dem Mordfall und sich selbst, kaum Beachtung geschenkt hatte).
    Aber was hatte sie angedeutet?
    Dass sie eine Affäre mit Harvey Cohen hatte? Das war die wahrscheinlichste Möglichkeit. Aber was hatte Harvey und sie vier Tage vor Keigos Ermordung nach Santa Fe geführt? Offenkundig hatte es etwas mit Keigo Nakamura und seinem Film zu tun. Bloß was? Wieso hatte sich Bezirksstaatsanwalt Mannie Ortega für Keigo interessiert? Was konnte so wichtig sein, dass ein stellvertretender Bezirksstaatsanwalt mit seiner Assistentin bis nach Santa Fe geschickt wurde?
    Nick musste wohl Ortega – den jetzigen Bürgermeister – fragen, wenn er wieder zu Hause war.
    Und was dieses Gerede über den Verkauf von New Mexico, Arizona und Südkalifornien an das Weltkalifat anging …
    Nick öffnete die Augen. Über die Satellitenverbindung des Oshkosh ging er mit seinem Telefon ins Internet. Shinta Ishii schenkte ihm keine Beachtung. Nick brachte seine Ohrhörer an und stellte das Display auf Anzeige in seiner Sonnenbrille um. Dann surfte er.
    Gegen Don Nuchajews Behauptung hatte Nick den Einwand erhoben, dass die Islamisten nicht nach Nordamerika kommen würden, weil es den von Reconquistas überrannten Wüstenstaaten an Infrastruktur fehlte.
    Doch angesichts der Daten wurde Nick klar, dass das Islamische Weltkalifat bei seiner Expansion in den letzten fünfundzwanzig Jahren keinerlei Respekt vor lokaler Sprache, Kultur, Gesetzgebung
oder Infrastruktur an den Tag gelegt hatte – ausgenommen vielleicht das Wohlfahrtssystem, das gnadenlos ausgenutzt wurde. Die Islamisten brachten Sprache, Kultur und Gesetze ebenso mit, wie die religiöse Infrastruktur. Und ein Großteil dieser Infrastruktur stammte aus dem Mittelalter: Stämme, Sippen, Ehrenmorde und eine mörderisch strenge Auslegung religiöser Vorschriften, wie sie im Christentum und Judentum schon seit mindestens sechshundert Jahren nicht mehr praktiziert wurde.
    Und der Kern der sich ausbreitenden islamischen Infrastruktur war die Scharia, die sowohl für muslimische Menschen als auch für die minderwertigen, ungläubigen Dhimmis galt. Außerhalb dieses Gesetzes lag das Land des Krieges, das von ungläubigen Nationen und Kulturen bewohnt wurde.
    Nick ging auf eine Archivseite und las, dass das Kalifat inzwischen über mehr als zehntausend Nuklearwaffen verfügte und damit die fünftausendfünfhundert Japans weit übertraf.
    Nach einer halben Minute Suchen stellte er fest, dass die Vereinigten Staaten nach ihrer stolzen, unilateralen Abrüstung – im Rahmen des START-Abkommens mit Russland – im zweiten Jahrzehnt des Jahrhunderts nur noch sechsundzwanzig Atomsprengköpfe auf Flugzeugen oder Raketen und weitere einhundertvierundzwanzig eingelagert hatten – alle mindestens fünfzig Jahre alt, unzuverlässig, ungetestet und sehr wahrscheinlich nicht funktionsfähig.
    Surfend kam Nick zu dem Schluss, dass das so oft im Fernsehen gezeigte Bild der aufgehenden

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