Flashback
darauf, keines der schlafenden Menschenbündel auf den Rampen zu überrollen. Nick hatte fünfzehn Kugeln in die Motorhaube, die Windschutzscheibe und in die Reifen des heruntergekommenen Wagens gejagt, doch während seiner Abwesenheit hatten Nakamuras Leute Reifen, Windschutzscheibe und den zentralen Akku ersetzt, und jetzt lief die Kiste wieder schlecht und recht wie eh und je. Aus dem völlig zerschossenen Benzinmotor waren sowieso schon vor Jahren alle wichtigen Teile ausgebaut worden. Nick gefiel es, dass Nakamuras Techniker die vielen Einschusslöcher nicht repariert hatten. Normalerweise, wenn Nick das Auto in einer bewohnten Parkgarage abstellte, stellte er das Blaulicht aufs Dach, um Plünderer abzuschrecken, doch jetzt ließ er einfach die Löcher in der Motorhaube für sich sprechen.
Wie gewohnt präsentierte sich das TC als schummriges, übel riechendes Labyrinth. Im ehemaligen Café kaufte sich Nick ein Bier und nahm es auf einer langen, gewundenen Rampe mit ins unterste
Geschoss, wo es Tische und Lampen gab. Unter dieser Ebene befanden sich nur noch die Pritschen für die Flashbackschläfer.
K. T. wartete am üblichen Tisch. In diesem Teil des Irrgartens aus alten Regalen, schimmeligen Teppichen und Zwanzig-Watt-Birnen hielt sich niemand sonst auf – zumindest niemand, der bei Bewusstsein war. Lieutenant Lincoln hatte ihre abgewetzte Aktentasche auf den Nachbarstuhl gestellt, und vor ihr lag ein Stapel Mappen.
Als sich Nick mit einem müden Seufzer niederließ, fragte sie: »Hast du deine Kanone dabei, Nick?«
Fast hätte er gelacht, doch dann bemerkte er den Ausdruck in ihren Augen. »Natürlich hab ich sie dabei.«
»Leg sie auf den Tisch. Nur mit dem Daumen und dem kleinen Finger der linken Hand. Sofort. « Sie zog die rechte Hand unter dem Tisch hervor und zeigte Nick ihre Glock. Sie zielte auf seinen Bauch.
Nick protestierte nicht und stellte auch keine Fragen. Er trug sein Halfter links unter der Lederjacke, den Griff der Glock nach vorn, um sie schnell ziehen zu können. Das wusste K. T. Wie sie es verlangt hatte, nahm er die Pistole behutsam heraus und legte sie vor ihr auf den Tisch.
Sofort beförderte K. T. die Waffe auf den Stuhl neben die Aktentasche. »Rutsch nach hinten.«
Nick rutschte nach hinten.
»Aufstehen, ganz langsam. Heb die Jacke und dreh dich einmal um die Achse. Dann zeigst du mir deine Fußgelenke.«
Er folgte ihrer Aufforderung und zog beide Hosenbeine hoch, um ihr zu zeigen, dass er dort kein Pistolenhalfter umgeschnallt hatte.
»Setz dich und bleib schön hinten. Die Hände offen auf den Schenkeln, damit ich sie sehen kann.«
Nick tat wie geheißen. Irgendwo in der dunklen Höhle eine Ebene tiefer kreischte ein Mann im Flashbackrausch.
»Also gut«, sagte K. T. »Du kriegst drei Informationen von mir. Vielleicht weißt du das alles schon. Vielleicht auch nicht. Auf jeden Fall wirst du so sitzen bleiben und dich nicht vom Fleck rühren, während ich dir das alles erzähle. Kapiert?«
»Kapiert.« Nick kannte K. T. Der Westlakefan hatte mit seiner Pistole mehr oder weniger auf K. T. gezielt, als sie ihre Waffe unter der kurzen Fed-Ex-Jacke herausriss und ihn fünfmal traf, bevor er reagieren konnte. Mit den Jahren und durch die Büroarbeit war sie unter Umständen etwas langsamer geworden, aber seinen Arsch hätte Nick nicht darauf verwettet.
Die Glock knapp über der Tischplatte haltend schob ihm K. T. mit der anderen Hand das Telefon hin. »Die am wenigsten schlechte Nachricht zuerst.«
Die Gesichter von sieben Jungen – alle offenbar tot, alle offenbar erschossen – huschten über das Display. Das Gesicht des achten gehörte Val.
Ächzend fuhr Nick halb aus dem Stuhl, aber die nach oben zuckende Mündung von K . T.s Glock ließ ihn erstarren. Stumm winkte sie ihn zurück. Nick gehorchte, aber weniger wegen der Waffe, sondern wegen des Fotos von Val. Es war keine Tatortaufnahme eines Toten wie die anderen, sondern ein gescannter Ausschnitt aus einem Highschooljahrbuch. Val lächelte nicht, hatte sich nicht in Schale geworfen und brauchte dringend einen Haarschnitt, aber er lebte. Nick blieb sitzen.
Erst nach einer halben Minute konnte er eine Frage stellen. »Was ist passiert?«
»Kam vor zwei Stunden rein«, flüsterte K. T. »Heute Abend hat in Los Angeles eine Flashgang von jungen Spinnern einen Anschlag auf Daichi Omura verübt.«
»Auf den kalifornischen Berater Omura?« Nick fühlte sich,
als hätte ihm jemand Novocain in den Kiefer und die
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