Flashback
Mexikanern dreht sich alles um Drogen und Korruption, bei den Japanern um … na ja, um Japan eben. Warum sollte ich mich darüber aufregen, wenn der Laden nicht mehr von japanischen, sondern von Hadschibürokraten geschmissen wird? Die wären garantiert kompetenter als die Mexikaner und ehrlicher als die Japaner. Auf EuroTel, Sky Vision, Al-Dschasira und CBC heißt es doch immer, dass die Dhimmis in Europa und Kanada ein ziemlich angenehmes Leben haben.
Was kümmert es mich, wenn die Halbmond-und-Krummsäbelfahne der Hadschis über der goldenen Kuppel des Kapitols von Denver weht, solange sie mich in Ruhe lassen und ich meine Tage und Nächte mit Dara verbringen kann?
Nick nahm Sonnenbrille und Ohrhörer ab, schaltete das Telefon aus und lehnte den Kopf zurück, um den Rest der Heimreise zu schlafen.
»Da, wo der Typ damals diese Sache gemacht hat« – mit dieser Beschreibung waren die Überreste des alten Buchladens Tattered Cover an der East Colfax Avenue gemeint. Die gesamte Colfax Avenue, die sich von der Prärie im Osten von Denver durch die abgerissensten Teile der Stadt bis zu den Ausläufern der Rockys im Westen erstreckte, war einmal im Playboy , einer schon längst nicht mehr existierenden frühen Sexzeitschrift, als »die längste, verruchteste Straße Amerikas« bezeichnet worden. Tatsächlich war sie eine der längsten Hauptstraßen des Landes, aber die Cops wussten, dass lediglich East Colfax verrucht war, jedenfalls wenn man Schnapsgeschäfte, heruntergekommene Spelunken, Prostituierte, Zuhälter und wirklich grauenvolle Dichter als Beweis dafür heranzog.
Das Tattered Cover war ein unabhängiger Buchladen gewesen, bevor gedruckte Bücher für die Verlage zu teuer und die Leute allgemein zu dumm zum Lesen von Büchern wurden. Früher hatte der Laden sein Domizil gleich gegenüber von Nicks Cherry-Creek-Wohnkomplex, war aber in der ersten Dekade dieses Jahrhunderts an seinen jetzigen Standort umgesiedelt, wo man, wie es in der Werbung hieß, »in stillen Winkeln die Heiterkeit von Büchern genießen« konnte.
Die stillen Winkel gab es noch, aber die Heiterkeit von Büchern war schon längst Vergangenheit. Das neue TC gegenüber der riesigen Absteige für Obdachlose – früher die stolze East Highschool – war jetzt eine Mischung aus Flashhöhle und Nachtbierkneipe. Merkwürdiger weise kamen viele Flashbacksüchtige, die besagte stille Winkel in den unteren Geschossen des alten Gemäuers bevölkerten, gewissermaßen zum Lesen her. Nachdem sie ihre Bücher verloren oder verkauft hatten, nahmen sie Flashback, um irgendwo auf einer Pritsche noch einmal die Erfahrung der ersten Lektüre von Moby Dick , Lolita oder Robin Hood zu erleben. »Wie dieser Zombiefilm, wo die Untoten in die Einkaufszentren strömen«, hatte Dara einmal dazu bemerkt. »Ihr verfaulendes Gehirn assoziiert das Einkaufszentrum mit Wohlbefinden … Bei den Flashern, die es in einen Buchladen treibt, ist es genauso.«
»Die zahlen ein Vermögen, um auf Flash ganze Bücher zu lesen«, war Nicks mürrische Antwort gewesen. »Wie viel von dieser kostbaren Zeit sitzen sie wohl auf dem Klo? Für so viel Geld könnten sie sich ganze Bibliotheken runterladen.«
»Sie wollen sich aber keine virtuellen Bücher runterladen, um sie zu lesen.« Wenn es um Bücher ging, konnte sich Dara ziemlich aufregen. »Sie wollen sie halten und darin blättern. Und Bücher zum Halten und Anfassen werden nicht mehr veröffentlicht. «
Jedenfalls war das TC der Ort, wo der Typ damals diese Sache
gemacht hatte. Als Streifenpolizisten hatten Nick und K. T. Lincoln auf einen Notruf reagiert. Das Tattered Cover versuchte zu dieser Zeit noch, sich durch den Verkauf modriger Bücher aus zweiter Hand über Wasser zu halten, doch dann tauchte ein durchgeknallter Junkie mit einer Pistole auf und verlangte ein neues Buch von einem Autor namens Westlake, der vor über zehn Jahren gestorben war. Zuerst wirkte es wie ein Witz, doch dann erschoss der Süchtige den Geschäftsführer des Cafés und drohte damit, alle halbe Stunden eine Geisel zu töten, bis man ihm die neue, ungelesene Originalausgabe des Westlakeromans brachte.
K. T. marschierte verkleidet als Fed-Ex-Botin mit dem verpackten neuen Buch hinein. Letztlich musste sie den Junkie erschießen, da er weiter mit seiner Pistole herumfuchtelte, während er mit der anderen Hand versuchte, das Buch auszupacken.
Nick stellte seinen Gelding in dem alten Parkhaus neben dem Laden ab und achtete gewissenhaft
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