Flashback
spät. Schon morgen Abend ist es zu spät.«
Detective Lieutenant K. T. Lincoln antwortete nicht.
Nach längerem Schweigen sagte Nick: »Gute Nacht, K. T. Entschuldige, dass ich dich aufgeweckt habe.« Er unterbrach die Verbindung.
Nick schlug die Augen auf. Noch zwanzig Minuten bis zur Landung. Sato saß unverändert mit verschränkten Armen und geschlossenen Augen da, schnarchte aber nicht mehr. Nick hatte keine Ahnung, ob er wach war oder nicht.
Er betrachtete Satos Gesicht, als der Airbus 310/360 mit dröhnenden Triebwerken den rüttelnden Sinkflug durch die unerbittlichen Luftströmungen der Front Range von Colorado begann.
Am meisten Sorgen hatte sich Nick darum gemacht, wie er noch vor seiner Abreise zu Daichi Omura vordringen sollte, doch letztlich war es kein Problem, da der Berater selbst mit ihm sprechen wollte.
Nachdem Nick seine Glock abgegeben und die verschiedenen Demütigungen technologiegestützter und technologiefreier Durchsuchungen hatte über sich ergehen lassen, wurde ihm klar, dass Omura eigentlich keinen Grund hatte, ihn wieder laufen zu lassen, wenn er nicht wollte. Dieser Besuch konnte zur Endstation seiner fünftägigen Tour durch Los Angeles werden.
Abgesehen davon, dass sich sowohl das frühere Getty Center als auch Nakamuras kunstvolle japanische Residenz in Denver ganz oben auf einem Hügel über der Stadt befanden, war das Ambiente bei Omura völlig anders als bei Nakamura.
Kein Bodyguard, sondern ein lächelnder junger Mann führte Nick in ein großes Zimmer, dessen eigentümlich gemütliche Atmosphäre wahrscheinlich auf der intimen Beleuchtung und den geschmackvoll arrangierten modernen Möbeln beruhte. An den Wänden hingen erlesene Gemälde – schließlich handelte es sich um das ehemalige Getty Art Museum. Der beeindruckende, von dem Architekten Richard Meier entworfene Gebäudekomplex auf dem Hügelkamm, der zehn Hektar große Campus und die zweihundertfünfzig Hektar große Parkanlage mit sorgfältig gepflegten Bäumen und Sträuchern sollten laut Vereinbarung nach dem Ende der nationalen Notsituation an die Menschen von Los Angeles zurückgegeben werden.
Allerdings gab es keine Anzeichen für ein baldiges Ende dieser Notlage, und inzwischen bestimmten Berater Omura und seine Delegation in diesen Räumlichkeiten die Geschicke von Kalifornien, Oregon und Washington.
Während er auf Omura wartete, ließ sich Nick von der Aussicht durch das zehn Meter breite Südfenster beeindrucken. Das Hauptgebäude
hier stand lediglich dreihundert Meter über der Interstate 405, die in südlicher Richtung hinunter nach Los Angeles und in nördlicher Richtung zum San Fernando Valley führte. Doch man hatte das Gefühl, kilometerhoch über Los Angeles zu schweben. Am Horizont erkannte Nick aufsteigende Rauchsäulen über dem verwüsteten Ostteil der Stadt. Nachts musste der Anblick mit dem nahen Teppich von Lichtern und den komplexen Konstellationen weiter draußen einfach fabelhaft sein.
Daichi Omura trat alleine ein, und Nick erhob sich. Er zwang sich dazu, nicht zusammenzuzucken, obwohl ihm die lädierten Rippen und die Schramme in der linken Wade große Schmerzen bereiteten. Ein Mediziner im CHP-Revier in Glendale hatte Nick einen elastischen Korsettverband angelegt und ihm zugleich erklärt, dass das Korsett nicht viel helfen würde. Dann gratulierte er ihm, weil die Rippen nicht gebrochen, sondern nur angeknackst waren, und bandagierte die Beinverletzung. Inzwischen tat es weher als vor der Behandlung.
Omura trug einen schwarzen Trainingsanzug und Laufschuhe. Im Gegensatz zu Hiroshi Nakamura, der für einen Japaner ungewöhnlich groß war, maß Daichi Omura kaum mehr als einsfünfzig. Nakamura war Mitte oder Ende sechzig und machte einen vitalen Eindruck, doch Omura wirkte wesentlich lebendiger, obwohl er bestimmt schon über achtzig war. Sein Kopf war nicht nur kahl wie ein Ei, sondern besaß auch die vollkommene Form eines Eis, wie man sie nur selten bei einem menschlichen Schädel antraf. Und dieses gebräunte Ei besaß weder Brauen noch Wimpern.
Hatte Nick mit seinem Polizistenverstand einmal konstatiert, dass Hiroshi Nakamura lächelte wie ein Politiker – strahlend weiß und grenzenlos oberflächlich –, so hatte er schon nach wenigen Minuten in Daichi Omuras Gesellschaft das Gefühl, dass dieser Mann nach ein paar Drinks Anekdoten zum Besten geben und aufrichtig über die eigenen und die Witze anderer lachen konnte.
Berater Nakamura erschien Nick als
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