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Flashback

Titel: Flashback Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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jemand, der es durch beharrliche Übung dazu gebracht hatte, ein Bild von Reichtum, Macht und Größe zu präsentieren; Berater Omura beeindruckte Nick so, wie wohl Franklin Delano Roosevelt seine Umgebung beindruckt hatte. Er wirkte wie jemand, dem Reichtum und Macht in die Wiege gelegt worden waren und der so selbstverständlich damit umging wie mit einer alten geflickten Tweedjacke und schmutzigen Laufschuhen, wie einer, der über das Schicksal lachte und zugleich das eigene annahm wie jede andere Aufgabe. Wie ein Mann, der sich freudig auch zu tragischen Bestandteilen seiner Pflichten und seines Schicksals bekannte.
    Nick war natürlich klar, dass er da eine Menge Schlüsse aus den Eindrücken einer halben Minute zog – vielleicht die Folge von Müdigkeit und Flashbackentzug. Es hatte keinen Sinn, die Droge durch unausgegorenen Tiefsinn zu ersetzen.
    »Möchten Sie etwas zu trinken, Mr. Bottom?«, fragte Omura. »Ich schon. Nach meinem jämmerlichen Drei-Kilometer-Lauf habe ich etwas Wasser getrunken, doch jetzt hätte ich gern einen echten Drink. Es ist zwar erst vier Uhr, aber wir können ja so tun, als wären wir in New York.«
    »Wie Sie wünschen, Sir.«
    »Sie müssen nicht Sir zu mir sagen, Mr. Bottom. Darf ich Sie Nick nennen?«
    »Ja, Omura-sama.«
    Der Alte trat zu einer kleinen Ansammlung von Spirituosen auf einem Marmortresen vor einer Bücherwand und hielt inne. »Sie kennen also die Höflichkeitsform, die in Japan hochgeachteten Menschen vorbehalten ist. Vor allem den Älteren. Das freut mich, Nick.« Er schenkte Scotch in zwei Gläser, ohne Nick zu fragen, ob er Eis wollte, das in einem kleinen Eimer bereitstand. »Haben Sie auch Ihren Auftraggeber als Nakamura-sama angeredet?«
    »Nein, nie«, antwortete Nick wahrheitsgemäß.

    »Gut.« Omura reichte Nick sein Glas und setzte sich auf ein Sofa. Er winkte Nick zu einem Sofa gegenüber. »Wir müssen uns über mehrere wichtige Dinge unterhalten, Nick. Wo sollen wir Ihrer Meinung nach anfangen?«
    »Ich nehme an, Sie wollen über die Anschuldigungen gegen meinen Sohn sprechen – über seine Beteiligung an dem Anschlag vom 17. Septbemer gegen Sie.«
    Bedächtig schüttelte der Greis den Kopf. »Das ist eigentlich keines der wichtigen Themen, über die wir heute reden müssen, Nick, aber ich verstehe natürlich, warum Sie es hinter sich bringen möchten. Glauben Sie, dass Ihr Sohn Val an dem Mordversuch gegen mich vor genau einer Woche beteiligt war?«
    Nick nippte von seinem Single Malt Scotch. Nur wie aus weiter Ferne nahm er wahr, dass er stark und unendlich weich schmeckte; offenbar war er mindestens fünfundzwanzig Jahre alt und von einer Qualität, die er noch nie gekostet hatte. Doch all das berührte ihn kaum, während er fieberhaft nach einer geeigneten Antwort suchte. Ohne den geringsten Beweis dafür zu haben, ahnte Nick, dass dieser alte Mann ein unübertroffen feines Gespür für Lügen hatte.
    »Inzwischen bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass mein Sohn mit der Flashgang herumgezogen ist, die den Anschlag auf Sie verübt hat, Omura-sama.« Nick sprach langsam und präzise. »Aber nach allem, was ich von Leuten gehört habe und auch selbst über den Charakter meines Sohnes weiß, kann ich mir nicht vorstellen, dass er tatsächlich auf Sie geschossen hat. Meiner Meinung nach ist er davongerannt … und hatte nie die Absicht, Ihnen Schaden zuzufügen.«
    »Meine Forensiker sind sich ziemlich sicher, dass eine Kugel aus der Waffe Ihres Sohnes diesen Coyne getötet hat – unten in der Kanalisation, aber in einiger Entfernung vom Ort des Überfalls. Dort wurden zwar viele Flechettepfeile und Patronenhülsen entdeckt,
aber keine aus dieser Waffe. Sie sind doch Polizist, wie denken Sie darüber?«
    »Ich habe keine … keine handfesten Beweise, Omura-sama. Jedenfalls spricht der Anschein dafür, dass mein Sohn während des Überfalls keinen Schuss abgegeben hat. Aber Val hatte tatsächlich eine Neun-Millimeter-Beretta, und ich vermute, dass er damit ein Stück weiter im Kanalnetz dreimal auf Coyne gefeuert hat.«
    »Dann hat Ihr Sohn Val also einen Menschen getötet.« Omuras Stimme blieb völlig leblos.
    Nick konnte nur mit einem Nicken reagieren. Wieder nahm er einen Schluck Scotch und schmeckte nichts.
    »Nick, glauben Sie, dass er diesen Coyne erschossen hat, um mich zu schützen?«
    Nick schaute in das sonnengebräunte, haarlose Gesicht des Alten. Abgesehen von einer Andeutung von Freundlichkeit war es völlig ausdruckslos.
    Trotzdem

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