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Flashback

Titel: Flashback Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Los Angeles rausgebracht hat, dann hat er schon mehr geleistet, als man von ihm erwarten kann. Außerdem ist er fast fünfundsiebzig …« Er verstummte, weil er nicht die richtigen Worte fand.
    »Du willst, dass ich auf Val aufpasse, falls dich Nakamura oder jemand anders heute umbringt.«
    Nick nickte mit zusammengeschnürter Kehle.
    »Ach, Nick, Nick …« K. T. machte auf dem Absatz kehrt und steuerte auf die Garagentüren zu.
    Nick wusste, dass das ein Ja war. Zumindest verstand er es so.
     
    Er lenkte den Gelding auf einen Dreißig-Minuten-Stellplatz oben beim Capitol Building und blickte hinab ins Tal, wo sich an der Mündung des Cherry Creek in den Platte River das Gefängnis
Coors Field und das Straflager Mile High erstreckten. Er ließ das Fenster auf der Fahrerseite nach unten und schaltete die Batterien ab.
    Zum ersten Mal, seit ihn Nakamura vor zwei Wochen engagiert hatte, hatte er ein wenig Zeit für sich selbst. Schon in zwölf Stunden – oder vielleicht deutlich weniger – musste er wieder vor dem Milliardär erscheinen, um entweder Keigos Mörder zu nennen oder sein Versagen zu bekennen. So oder so durfte er von Nakamura keine freundliche Reaktion erwarten.
    Nick Bottom hasste Rätsel. Schon seit seiner Kindheit. Aber er hatte schon immer die unheimliche Fähigkeit besessen, sie zu lösen. Wenn er bereits mit Mitte dreißig einen kometenhaften Aufstieg vom Streifenpolizisten zum Detective ersten Grades im Dezernat Gewaltverbrechen hinter sich hatte, so hatte er das vor allem seiner logischen Intelligenz zu verdanken.
    Doch jetzt …
    Was jetzt? Er war sicher, dass er alle Fakten kannte, die er für die Klärung dieses Verbrechens benötigte, doch selbst die gottverdammten Fakten schienen immer wieder zu verschwimmen und sich zu verschieben. Nick kam sich vor wie ein blinder Künstler mit einem Haufen Murmeln. Im Wesentlichen war er nicht weiter als sein Team von Ermittlern vor sechs Jahren, das damals zu dem Schluss gelangte, dass Keigo und nebenbei auch seine Freundin Keli Bracque möglicherweise von einem der Zeugen ermordet worden waren. Der Dichter Danny Oz hatte das logisch schwache, aber realistisch betrachtet ausreichende Motiv eines schwelenden Zorns und beginnenden Wahnsinns; der Dieb und Drogendealer Delroy Nigger Brown hatte vielleicht bei dem Interview mit Keigo im Drogenrausch etwas gesagt, das seiner Meinung nach nicht in den fertigen Dokumentarfilm gelangen durfte; der süchtige Derek Dean, der am Naropa Institute in der Volksrepublik Boulder vor sich hin schimmelte, konnte Keigo umgebracht haben, um sich
auf Flashback immer wieder an diesem Erlebnis zu erfreuen; und Don Chosch-Achmed Nuchajew hatte Dutzende von Gründen, auf die er bei dem Treffen mit Nick in launiger Weise angespielt hatte. Dennoch war es viel wahrscheinlicher, dass hinter der Tat japanische Ninjamörder aus einem der acht Keiretsus oder Zaibatsus (sieben, wenn man den Nakamuras nicht mitrechnete) unter der Führung ihres jeweiligen Daimyōs steckten, was auch den freundlichen, eiköpfig-kahlen Daichi Omura einschloss, dem Nick in seiner Erschöpfung und dem posttraumatischen Stress der spaßigen fünf Tage in L. A. fast in den Arsch gekrochen war … Sieben tödliche Daimyōs, von denen jeder in egomanischer Gewissheit überzeugt war, dass das Überleben seiner Nation und der gesamten Welt von seiner Berufung zum Shōgun abhing. Sieben tödliche Daimyōs, die alle bereit waren, tausend Keigos samt Sexgespielinnen über die Klinge springen zu lassen, damit sich der Machttraum vom eigenen Shōgunat erfüllte.
    Bis zu diesem Punkt waren Nick und K. T. Lincoln im Grunde schon vor sechs Jahren gelangt, und auch jetzt deuteten fast alle Hinweise in die gleiche Richtung.
    Aber nur fast.
    Vom Capitol Hill aus wirkte Denver nicht wie eine Stadt, die kurz vor dem Ausbruch ethnischer Unruhen stand. Einige Blätter an den Bäumen im Park weiter unten wechselten schon die Farbe. Die Temperatur war angenehm – zweiundzwanzig Grad –, und das Sonnenlicht hatte die kristallklare Qualität des späten September, die in den Bewohnern Colorados den Wunsch weckte, nie von dort wegzugehen – zumindest bis zum nächsten erbärmlichen Frühling, wenn der Winter praktisch übergangslos von der Junihitze abgelöst wurde.
    Nick schaute hinab zu den Gebäuden der Stadt und schob alle Gedanken an den Fall beiseite. Früher hatte es ihm oft geholfen, wenn er einfach zuließ, dass das Unterbewusstsein die verschiedenen
Fäden miteinander

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