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Flashback

Titel: Flashback Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Akzent.
    »Moth, hier Dr. B. Du musst mich in ungefähr fünf Minuten beim Kanaldeckel unter der alten Cherry-Creek-Brücke abholen.«
    Am anderen Ende entstand nur die Andeutung eines Zögerns. Über zehn Jahre lang war Mohammed »Mothman« al Mahdi einer
der besten Straßeninformanten von Detective Nicholas Bottom gewesen. Und kein anderer Cop bezahlte Mothman so gut wie »Dr. B.«. Nach seiner Entlassung hatte Nick den Kontakt zu Mothman nicht abreißen lassen und dem Rikschafahrer meistens sogar ein Geschenk mitgebracht, wenn er ihn besuchte. Außerdem hatte der Pakistani immer noch Angst vor Nick Bottom – sowohl vor Anwendung körperlicher Gewalt als auch deshalb, weil Nick genug über die Vergangenheit von Moth wusste, um ihn jederzeit verpfeifen zu können.
    »Bin in fünf Minuten da, Dr. B.«
     
    In Filmen waren Kanalrohre immer so groß wie die in L. A ., durch die man einen Lastwagen fahren konnte. In dem Kinofilm Formicula aus der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts, den sich Nick und Dara einmal zusammen angesehen hatten, donnerte ein ganzes motorisiertes Regiment von Jeeps und Lastern durch diese Kanalisationsstollen. Aber in Denver waren diese Abwasserkanäle schleimig und eng, und Nick befand sich auf Bauch und Ellbogen, als er endlich den verrosteten Stahlbetondeckel wegkickte, um sich gut einen Meter tief auf den verlassenen Fußgänger weg unter der alten Cherry-Creek-Brücke fallen zu lassen.
    Mothmans Bumblebee-Rikscha, die aus Kalkutta importiert worden war, nachdem die Stadt komplett auf Elektrotaxis umgestellt hatte, wartete bereits im Schatten der Brücke.
    Nick ließ sich auf den Fahrgastsitz gleiten. »Grossvens Höhle.«
    Mothman nickte und strampelte los. Nick lehnte sich tief in die schmuddeligen Polster, um möglichst wenig von seinem Gesicht zu zeigen.
    Mickey Grossvens Flashhöhle lag drei Kilometer südlich am Fluss. Die Wohnhäuser in der Gegend waren bei den ersten Reconquistakämpfen in Flammen aufgegangen und danach weder abgerissen noch instand gesetzt worden.

    Nick klatschte Mothman fünf alte Dollar in die Hand – so viel, wie der illegale Einwanderer in zwei Monaten verdiente. »Du hast mich nicht gesehen und gehört. Wenn mich jemand aufspürt, rück ich dir auf die Pelle, Mohammed.«
    »Sie können mir vertrauen, Mr. B.«
    Nick war bereits aus der Rikscha in das Loch in der Kellerwand getaucht. Nach einem urinverpesteten Gang und zwei Treppen gelangte er in einen Korridor, der im Nichts endete. Vor ihm nur eine nackte Ziegelwand und verkohlter Schutt.
    Nick wartete, bis ihn die Nachtsicht- und Infrarotkameras erfasst hatten.
    Dann glitt die Wand auseinander, und er betrat eine fensterlose Lagerhalle, die halb so groß war wie ein Häuserblock. Das einzige Licht kam von chemischen Leuchtstäben, die aus Hügeln von geschmolzenem Wachs am Boden ragten. In dem dunklen Saal standen Hunderte von niedrigen Pritschen, vielleicht sogar tausend, und auf jeder lag eine zuckende Gestalt. Darüber hing jeweils ein Tropf mit Schläuchen, die zu der Gestalt führten.
    Grossven und sein hünenhafter Rausschmeißer fingen ihn im Eingangsbereich ab. »Detective Bottom? Es gibt doch nicht etwa ein Problem?«
    Nick schüttelte den Kopf. »Bin kein Detective mehr, Mickey. Ich brauche nur eine Prische und einen Tropf.«
    Grossven setzte sein nahezu zahnloses Grinsen auf und wies in die riesige Halle. »Pritschen haben wir genug. Pritschen und Zeit. Alle Zeit der Welt. Wie viel Zeit wollen Sie, Detective?«
    »Sechshundert Stunden.«
    Grossven hatte keine Brauen, daher zeigte er sein Staunen nur mit den Augen. »Nicht schlecht fürs Erste. Bar oder mit Karte, Detective?«
    Nick gab ihm einen Fünfzigdollarschein.
    »Lawrence«, sagte Grossven, und der Rausschmeißer in der
Panzerweste aus Kevlarschuppen führte Nick zu einer Pritsche in einem eher leeren Winkel und brachte sachkundig den Tropf an. Nick legte seine Tasche unter die Pritsche und schob die Pistole ein. Aber er wusste, dass sein Geld und seine Flashbackampullen hier sicher waren. Dafür waren die Winterschlafhöhlen da. Mickey hätte sich keinen Monat über Wasser halten können, wenn er zugelassen hätte, dass seine Kunden ausgeraubt wurden, und er war schon über ein Jahrzehnt im Höhlengeschäft.
    Mehr als zwanzig Stunden am Stück auf Flash führten zu Nierenund Darmproblemen. Außerdem musste man bei langem, ununterbrochenem Flashkonsum mit psychotischen Schüben rechnen, wenn der irgendwann wieder erwachte Verstand eine

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