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Flashback

Titel: Flashback Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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und warf Nick auf den Sitz. Blitzschnell fesselte er seinen rechten Arm mit Handschellen, schlang die kurze Kette um eine nackte Stahlstrebe im oberen Türrahmen und ließ auch den linken Ring einrasten.
    Der Schmerz, der durch seine erwachenden Arme und Hände schoss, war so schlimm, dass er glaubte, gekreuzigt zu werden. Wieder schrie er, während Sato die Tür zuschlug und zur Fahrerseite ging.
    Sato ignorierte Nicks Jammern, als er im immer dichter fallenden kalten Regen über den Speer Boulevard fuhr. Die Straßen waren fast leer. Selbst die vielen tausend Obdachlosen auf den Geh-und Fahrradwegen am Cherry Creek hatten sich in ihre Schuppen und Kisten unter den Überführungen zurückgezogen. Ein matter Glanz am östlichen Himmel sagte Nick, dass die Morgendämmerung nahte. Wie lang war er auf Flash gewesen? Nur der Freitagnachmittag mit Dara im Jahr der Visionen und der darauffolgende Abend. Nicht mehr als acht Stunden. Verdammt.
    Nick verstummte, als Sato nach Westen auf die Colfax Avenue abbog.

    Der Japse will doch nicht …, er kann doch nicht …
    Er wollte und konnte. Nachdem er die I-25 überquert hatte, steuerte Sato auf den Federal Boulevard, dann die 23rd Street und schließlich auf die Bryant Street – eine schmale, verbarrikadierte Straße am Hang über der I-25. Auf allen Seiten hingen Schilder mit der Aufschrift ZUTRITT ST R ENGST ENS VERBOTEN.
    »Nein!«
    Ohne auf Nicks Ruf zu achten, stoppte Sato kurz, um an der automatischen Station seinen Ausweis zu zeigen und in den CMRI-Ringtunnel abzutauchen. Zum zweiten Mal innerhalb von zwei Tagen spürte Nick, wie seine Atome durcheinandergewirbelt und in eine andere Dimension katapultiert wurden. Er fragte sich, ob diese hohe Strahlenbelastung nicht ungesund war.
    Tief unten links verschwand die I-25. Um Schäden durch konventionelle Sprengsätze zu vermeiden, wurde der Verkehr auf der I-25 in einem Umkreis von drei Kilometern umgeleitet und musste sich auf kleinen Straßen durch das Rangierbahnhofsviertel quälen. VIP-Fahrzeuge konnten in nördlicher und südlicher Richtung einspurige Schutzröhren sechzig Meter unter der Erde benutzen.
    Angesichts der schwarzen Silhouette, die die Windschutzscheibe füllte, hätte Nick beinahe gelacht über seine Sorgen. Am nächsten Kontrollpunkt ragten in eine Richtung schräge Dornen aus dem Belag der Zugangsstraße, danach war also keine Umkehr mehr möglich.
    »Nein«, ächzte Nick dumpf.
    »Doch.« Sato bremste.
    Das riesige Bauwerk, das den umwölkten Sonnenaufgang verdeckte, hatte früher den Namen Invesco Field at Mile High getragen.
    Dieses 2001 eröffnete Footballstadion hatte das alte Mile High Stadium ersetzt, in dem seit 1948 Football-, Fußball- und Baseballspiele ausgetragen worden waren. Wegen der geschwungenen
Abschlusskante hatten Manager der längst verschwundenen Firma Invesco, die 2001 die Namensrechte erworben hatte, die neue Heimat der inzwischen ebenfalls nicht mehr existierenden Denver Broncos spöttisch als Diaphragma bezeichnet. Die Wettkampfstätte fasste über sechsundsiebzigtausend Footballfans und ungefähr fünfzigtausend Rockkonzertbesucher. Am 28. August 2008 erreichte Invesco Field at Mile High – ein umständlicher Name, der höchstens von streng angewiesenen Ansagern benutzt wurde – eine Art Apotheose, als sich dort über vierundachtzigtausend Menschen drängten (ungefähr eine Milliarde verfolgte das Ganze über das frühe HDTV), um Barack Obamas Nominierungsrede zu hören, die den letzten Akt des im Pepsi Center in Denver veranstalteten demokratischen Parteitags bildete.
    Jetzt gehörten Invesco, Pepsi, die Broncos, die National Football League, öffentliche Sportveranstaltungen und das Großtreffen der Demokratischen Partei genauso der Vergangenheit an wie der Mann, der vor vierundzwanzig Jahren mit großen Hoffnungen auf einen tief gehenden Wandel nominiert worden war.
    Niemand, der in diesen naiven Tagen ein Footballspiel oder das Medienspektakel des frisch gekürten Präsidentschaftskandidaten besucht hatte, hätte das Mile High Stadium heute wiedererkannt. Das jetzige Department of Homeland Security Detention Center – das Heimatschutzstraflager – sah aus, als wäre es in eine Million Liter Schmieröl getaucht worden. Über das früher dachlose Stadion erstreckte sich eine schwarze Hartfolie und verwandelte die einhundertsechzigtausend Quadratmeter – Räume, Gänge, Rampen, Treppen, sechsundsiebzigtausend Sitzplätze sowie Hunderte von Logen – in eine Höhle, in

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