Flashback
die Gedanken der anderen Flashbackidentitäten
lesen, so wie er die Gedanken und Gefühle des damaligen Nick teilte.
»Ich bin ein guter Polizist, Dara.« Seine Bemerkung über das Krankenhaus und die Hebamme ist ihm peinlich, aber er möchte sich auch verteidigen. »Ein wirklich guter Polizist.«
Dara legt ihre Hand auf seine, die auf ihrem Bauch ruht. »Du wärst wahrscheinlich auch ein guter Astronom geworden, mein Nicholas. Ein wirklich guter Astronom. Die Sterne sind Objekte voller Schönheit, die uns mit Bewunderung erfüllen …«
»So wie du, Kleines.« Nick versucht, sie mit seinem Scherz abzulenken.
»… die uns mit Bewunderung erfüllen.« Dara möchte nicht abgelenkt werden. »Wohingegen die Objekte deines Berufs – die Täter, die Süchtigen, die Zeugen, viele von deinen Kollegen und sogar manche Opfer und Anwälte – nur Widerwillen, Zynismus und Verzweiflung auslösen. Nach dem Ende deines Studiums hättest du merken müssen, dass du zu sensibel für diesen Beruf bist, Nick. Du magst vielleicht ein paar oberflächliche Sachen daran – das Geheimnisvolle und das Adrenalin, ein paar von den anderen Cops und dass du selbst ein guter Polizist bist –, aber tief in dir drinnen frisst es wie Batteriesäure. Und das wird sich auch nicht ändern.«
Nick zieht die Hand weg und trinkt ein paar Schluck. Zwei Hubschrauber bewegen sich über den nördlichen Teil des botanischen Gartens, und ihre Suchscheinwerfer verbinden sich zu einem Gittermuster, das die Sterne verbirgt. Der Lärm hallt von den Backsteinhäusern und Bäumen und den schiefen alten Garagen aus den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts in der Straße wider.
Nick empfindet das Eindringen der Maschinen als Belästigung. Er hat sich nicht nur das ganze Wochenende freigenommen, sondern auch noch den Freitagnachmittag, was wirklich selten vorkommt, und die Zeit genutzt …
… zusammen mit dem älteren Nick, der schwebend alles mithörte, -fühlte, -erlebte …
… um in der Hitze den Rasen zu mähen, um die Hecken und hängenden Äste der vernachlässigten Nachbarbäume zu stutzen, um die Türangeln der alten Garage zu reparieren und um in Daras Nähe im Haus herumzuwerkeln. Auch sie hat sich ungewöhnlicherweise den Freitag freigenommen – sie studiert noch –, und sie hat den Tag dazu verwendet, um liegen gebliebene Haushaltsarbeiten und Vorbereitungen für das Baby zu erledigen. Er trägt seine älteste, bequemste Kakihose, ein kurzärmeliges Denimhemd und Turnschuhe, die vom Streichen des zukünftigen Kinderzimmers mit Farbe bekleckert sind. Dara hat ein hellblaues Oberteil und eine Caprihose an, die beide so zerbeult sind, dass sie damit nie hinausgehen würde.
Mehrmals an diesem Nachmittag hat sie ihrem verschwitzten Mann ein Glas kalte Limonade und einmal sogar höchst willkommene frisch gebackene Kekse mit Schokostücken gebracht.
Seit Wochen ist das der erste Nachmittag, an dem Nick keine Pistole in seinem Halfter am Gürtel trägt.
Nick Bottom liebt ihr Zuhause und ihr Viertel, und er weiß, dass es Dara genauso geht. Dieser Stadtteil südwestlich des botanischen Gartens und südlich des Cheesman Park besteht aus einer Mischung von hohen, für Denver typischen Backsteinbauten und kleinen Backsteinbungalows wie dem, den Nick und Dara vor zwei Jahren mit Hilfe der Police Credit Union mit Ach und Krach kaufen konnten.
Das Viertel ist auch relativ sicher. Nach den ersten Rezessionswellen vor acht Jahren war es zusehends von Gangs und Kriminellen besetzt worden, da einige der größten zwangsvollstreckten Häuser zu Crackhöhlen und Schlupfwinkeln für illegale Einwanderer aus dem Nahen Osten wurden. Doch im zweiten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts zogen immer mehr ältere Polizisten und
Detectives des DPD in die Gegend. Ihnen folgten jüngere Beamte mit ihren Familien, die mehr Stabilität brachten. Selbst in der jüngsten Ära – die neue Regierung in Washington nennt Daras Schwangerschaftsjahr das Jahr der Visionen –, in der fast jede Privatperson eine Schusswaffe trägt, hat die Anwesenheit von zahlreichen Polizisten mit ihren Familien eine beruhigende Wirkung auf das Viertel ausgeübt.
Und da Polizisten und ihre Familien schon immer die – spiegelbildlich mit der Mafia geteilte – Gewohnheit hatten, sich in ihrer Freizeit fast ausschließlich mit ihresgleichen zu treffen, ist für Nick ein echtes Nachbarschaftsgefühl entstanden. Im Mai kamen über sechzig Leute zu Nicks und Daras alljährlicher Gartenparty
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