Flashback
über das blaue Pferd wissen?«, bohrte Sato.
»Ja!« Nick schüttelte verzweifelt den Kopf und zerrte heftig an den Handschellen. Neben den Laserflecken auf der Brust seines Sweatshirts erschienen dicke Blutstropfen. »Scheißkerl! Scheißkerl! Die zweite Spritze in meinem Schenkel war Pfizer TruTel, nicht wahr?«
»Natürlich«, antwortete Sato. »Wenn ich Ihnen noch mal eine Chance geben würde, Bottom-san, werden Sie uns dann wieder verraten und die Ermittlungen aufgeben, um sich bei der erstbesten Gelegenheit in einen Flashbacktraum zurückzuziehen?«
»Natürlich würde ich das, verlassen Sie sich drauf, Mr. Moto.«
»Würden Sie mich töten, wenn Sie die Möglichkeit hätten, Bottom-san? «
»Ja, ja, auf jeden Fall«, plärrte Nick. »Scheißkerl.«
»Glauben Sie wirklich, dass Sie das Geheimnis um den Mord an Keigo Nakamura lösen können, Bottom-san?«
»Keine Chance.« Nick hörte seine eigene Antwort.
Die schwarzen Augen des Sicherheitschefs musterten Nick, und Nick starrte zurück. Schließlich schaffte er es, eine Frage zu stellen. »Warum bringen Sie mich zum Straflager?«
Jeder in Colorado wusste, dass schon viele Menschen in den schwarzen Ölkuchen des Mile High gebracht worden waren, dass aber nur die wenigsten wieder herauskamen.
Satos Stimme blieb ausdruckslos. »Bottom-san, Sie haben einen der neun Bundesberater der Vereinigten Staaten von Amerika hintergangen.
Sie haben Ihr Wort gebrochen und gegen Ihren Vertrag verstoßen. Vielleicht haben Sie einen Anschlag auf Hiroshi Nakamura geplant.«
»Was?« Diesmal riss Nick so heftig an seinen Fesseln, dass das Blut von seinen Handgelenken auf die Windschutzscheibe und die Armatur spritzte.
Sato zuckte die Achseln. »Bei einem ausführlichen Verhör wird die Wahrheit schon ans Licht kommen.«
Nick spürte, dass seine Augen hervorquollen wie die des wahnsinnigen blauen Hengstes. Noch immer bewegten sich zwei große rote Flecken über seine verschmierte Brust wie die blutigen Finger einer blinden Geliebten. »Sie sind so verrückt wie dieses bescheuerte Pferd, Sato. Sie wollen mich in dieser Heimatschutzhölle verschwinden lassen, damit Sie das Scheitern der neuen Ermittlungen erklären können. Damit Ihnen Ihr Chef endlich die Erlaubnis zum Seppuku erteilt.«
Sato schwieg.
Damit kommen Sie nicht durch , wollte Nick schreien wie eine Nebenfigur aus einer billigen Fernsehserie, doch mit Hilfe von Pfizer TruTel kam es anders heraus: »Und Sie werden damit durchkommen. Nakamura wird Ihnen glauben, dann können Sie sich endlich umbringen, um für Ihr Versagen zu bezahlen, und ich werde hier in der Dunkelheit verschimmeln.«
Sato fixierte ihn längere Zeit, dann nickte er vor sich hin und hielt seine NICC hoch. Beide Laser aus den Augen des blauen Hengstes zuckten zur Karte, einer las sie, der andere wanderte zurück zu Nick.
Sato wendete auf der nassen Straße und fuhr zurück durch den CMRI-Tunnel und die Kieswüste um das ehemalige Mile High Stadium.
»Ich glaube«, sagte Hideki Sato, »wir sollten dem Tatort einen Besuch abstatten, Bottom-san.«
2.01
INTERSTATE 10 UND LA CIENAGA BOULEVARD, LOS ANGELES
SAMSTAG, 11. SEPTEMBER
Billy Coyne und Val führten die anderen über das Bambusgerüst hinauf zum Samstagsmarkt auf dem eingestürzten Abschnitt der I-10. Plötzlich kam von oben und unten aus der Stadt der unverwechselbare Lärm von Hunderten AK-47-Gewehren, die in die Luft abgefeuert wurden. Begleitet vom Läuten der Kirchenglocken erschallten die verstärkten Rufe der Muezzins an die Gläubigen aus Dutzenden von Minaretten in L. A., vom Markt und von den Straßen unten: »Allahu Akbar! Allahu Akbar!«
Alle Gangmitglieder erstarrten im Klettern, weil sie einen Hadschiangriff oder einen Selbstmordattentäter befürchteten.
Dann erkannte Val, dass das nur die Feierlichkeiten zu dem alten Festtag, dem 11. September 2001 waren, dem Beginn – wie Val es in der Schule gelernt hatte – des erfolgreichen Widerstands gegen die imperialistische Hegemonie Amerikas und einem wichtigen Wendepunkt für die Entstehung des Neuen Kalifats und einer anderen Weltordnung. Er wusste, dass die christlichen Kirchen die Glocken läuteten, um mit den Hadschis in den Dutzenden Moscheen von Los Angeles zu feiern und um ihre Solidarität und Versöhnungsbereitschaft zu bekunden.
Hinter den kletternden Jungen, in Richtung der Innenstadt von L. A., krachten rote und orangefarbene Raketen gegen die Glaswände
der alten Hochhäuser, Ausdruck der
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