Flashback
Jahre nach der Six-Flags-Ära hatte die Anlage Elitch Gardens geheißen.
Als Nick jetzt auf den riesigen, leeren Parkplatz bog und den Sprengschutzmauern zum ersten von mehreren Kontrollpunkten folgte, waren allerdings keine Gärten zu sehen.
Nick wusste durch seinen Großvater von Elitch Gardens. Nicks Vater war Streifenpolizist gewesen und gestorben, als Nick fünfzehn war. Die erste Erinnerung an seinen Vater drehte sich um dessen Schusswaffe, einen großen Revolver von Smith & Wesson. Doch Nicks alter Herr war nicht bei einer Schießerei gestorben (wie Nick hatte er im Dienst keinen einzigen Schuss abgefeuert), sondern bei einem Unfall auf der I-25, keine drei Kilometer von der Stelle, wo Dara und ihr Chef, der stellvertretende Bezirksstaatsanwalt Harvey Cohen, ums Leben gekommen waren. Nicks Vater
hatte angehalten, um einem gestrandeten Autofahrer zu helfen, und war auf dem Seitenstreifen vom Wagen eines betrunkenen Sechzehnjährigen erfasst worden.
Nicks Großvater hatte als Busfahrer in der Stadt gearbeitet, und sein Urgroßvater war Wagenführer der alten Straßenbahnen gewesen, die Denver mit den Vororten und nahe gelegenen Städten verbanden, ehe sie von den Autos verdrängt wurden. Von Grandpa Nicholas hatte Nick wunderbare Geschichten über die alten Elitch Gardens gehört, deren Motto jahrzehntelang hieß: Wer Elitch nicht gesehen hat, hat Denver nicht gesehen.
Die 1890 eröffneten Elitch Gardens lagen weit entfernt vom Zentrum an der 38th Street und Tennyson Street in einem Vorort, der damals fast noch ein eigenes Dorf war. Dieser ursprüngliche Park wurde zwar immer größer, bewahrte sich jedoch Bäume, große Blumengärten und schattige Picknickstellen, wo die Besucher ihr mitgebrachtes Mittagessen verzehren konnten. Rund vierzig Jahre lang gab es einen Zoo und hundert Jahre lang das Theatre at the Gardens, wo im Sommer Repertoirestücke aufgeführt wurden und später im zwanzigsten Jahrhundert Stars aus Film und Fernsehen auftraten. In den Dreißigern kam der Trocadero Ballroom für Tanz und gastierende Big Bands hinzu, und Nicks Großvater erzählte, dass er sich immer die landesweit ausgestrahlte Rundfunksendung An Evening at the Troc angehört hatte. Irgendwann in den Fünfzigern eröffneten die Eigentümer eine Abteilung für kleine Kinder namens Kiddieland mit kleinen Einsitzerrennwagen, Raketenfliegern und schwimmfähigen Motorbooten, und dieser neue Geschäftsansatz wurde zu einem Riesenerfolg.
1994 siedelte der Elitch-Gardens-Komplex an seinen aktuellen Standort in der Nähe des Zentrums um und wurde von dem Unternehmen aufgekauft, das in ganz Amerika Six-Flags-Parks betrieb. Die neuen Besitzer ersetzten Gras und Gärten durch Zement und Beton, Kiddieland und gemütliche Fahrgeschäfte durch
schwerkraftintensive Kreischattraktionen und die alten Eintrittspreise durch neue in einer Höhe, dass eine Familie ein Bankdarlehen aufnehmen musste. Als Six Flags den Freizeitpark 2006 verkaufte, stellte der neue Eigentümer zwar den Namen Elitch Gardens wieder her, zerstörte aber auch noch den letzten Rest von Freizeitspaß für alle Menschen, die nicht hochgradig adrenalinsüchtig waren.
Diese ganzen Einzelheiten waren Nick bekannt, weil sowohl sein Großvater als auch seine Mutter Elitch als Sinnbild Amerikas im späten zwanzigsten und frühen einundzwanzigsten Jahrhundert betrachtet hatten: der Verlust von Schatten und Gärten, Anmut und erschwinglichem Familienspaß zugunsten von überteuertem, grellem Nervenkitzel.
Nun , dachte Nick, als er das Auto parkte und über das gesprungene, ausgeworfene und unkrautübersäte Pflaster auf den Kontrollpunkt zusteuerte, Amerika hat so viel Nervenkitzel bekommen, wie es sich nur wünschen konnte .
Die Sicherheitskräfte am Eingang waren Expolizisten, die Nick noch aus seiner aktiven Zeit kannten und ihn freundlich behandelten. Den Rest erledigte Nakamuras magische schwarze Karte. Ein Wachmann telefonierte, um Danny Oz auf seinen Besucher vorzubereiten, und führte Nick sogar persönlich durch das Labyrinth von Hütten, Zelten, verfallenen Fahrgeschäften und offenen Marktständen.
»Anscheinend haben die hier alles, was man so braucht«, meinte Nick, um Konversation zu machen.
»Stimmt«, antwortete der Wachmann, ein pensionierter Streifenpolizist namens Charlie Duquane. »Das Lager ist ziemlich unabhängig. Die haben eigene Ärzte, Zahnärzte, Psychiater und sogar eine brauchbare Klinik. Und sechs Synagogen.«
»Wie viele Leute leben
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