Flatline
an die Öffentlichkeit dringen. Das gilt auch für die Virologen!«
»Machst du Witze? Ich muss die Gesundheitsbehörden und das Innenministerium informieren und zwar eigentlich schon gestern.«
Die Pranke begann, sich bedrohlich zu senken.
»Wieso?«, Joshua hob seine Stimme, »sein Immunsystem hatte die Erreger doch eliminiert, oder?«
»Ja, und wann?«, auch Strietzel wurde nun lauter.
»Was ist, wenn dieser Lambert mit Menschen in Kontakt kam, bevor sein Immunsystem reagieren konnte? Joshua, er war dazu in der Lage, unser Land mit einer Epidemie zu überziehen, wie es sie noch nie zuvor gegeben hat. Wenn er es nicht bereits getan hat! Alle verfügbaren Fachkräfte müssen sofort damit beginnen Impfstoffe zu entwickeln, bevor es zu einer Katastrophe kommt. Und dafür möchte ich die Verantwortung nicht übernehmen.«
Joshua senkte den Kopf, legte eine Hand an die Stirn und schloss die Augen. Strietzel war keiner von den Zeitgenossen, die vorschnell in Panik gerieten. Seine Sichtweise war nur allzu verständlich. Für die Medien ist es eine Bombe, dachte er besorgt. Immerhin würde Schorndorf nicht mehr umhinkommen, jede verfügbare Einsatzkraft mit diesem Fall zu betrauen. Joshua hatte die Geister gerufen, ohne die geringste Ahnung, wie mächtig sie sein würden. Er dachte daran, dass Jack normalerweise die Leitung der Ermittlungen übertragen bekäme, und fragte sich, wer seine Rolle nun übernehmen würde. Bei dem Gedanken an seinen Freund durchdrangen plötzlich einzelne Sonnenstrahlen seine verdunkelte Seele. Hoffnungsvoll wanderten seine Augen in das Gesicht von Eugen Strietzel.
»Habt ihr auch Antikörper gegen das Denguefieber gefunden?«
Strietzel stutzte. Nachdenklich starrte er Joshua an.
»Ja, haben wir. Gegen den Erreger, das Fieber ist eine Abwehrreaktion des Körpers gegen den Eindringling. Dagegen war bisher kein Kraut gewachsen. Alleine damit lässt sich im asiatischen Raum ein Vermögen machen.«
Der Gerichtsmediziner wirkte jetzt fast euphorisch.
»Die erste Infektion verläuft wenig spektakulär, aber bei der zweiten kann es zu einem sogenannten Dengue-Schock-Syndrom …«
»Ich weiß«, unterbrach Joshua ihn hektisch. Die Freude über Strietzels Antwort war ihm anzusehen.
»Das bedeutet, man kann ein Antibiotikum oder so was in der Art gegen das Denguefieber herstellen?«
Strietzel lachte. Es war ein Lachen, das Joshua wie ein Faustschlag in den Magen fuhr.
»Erstens: Ein Antibiotikum wirkt nur gegen Bakterien, nicht gegen Viren. Obwohl es immer noch Hausärzte geben soll, die bei einem grippalen Infekt darauf setzen.
Zweitens: Wir haben Antikörper des Dengue-Erregers entdeckt. Wir haben auch Hüllen von Zellen entdeckt, die dieser Virus als Wirt auserkoren hat. Aber, und das ist das Entscheidende, wir haben nicht die geringste Ahnung, was den Körper dazu veranlasst hat, diese Antikörper zu bilden. Das weiß vermutlich nur ein einziger Mensch. Die Kollegen an der Uni untersuchen den Körper weiter rund um die Uhr. Es ist eine absolute Sensation.«
Mit gnadenloser Geschwindigkeit rauschte das Gefühl der Ohnmacht durch seinen Leib. Die ersten klaren Gedanken, die sein Verstand zu fassen bekam, wirkten so widersprüchlich auf Joshua wie die Aussagen Strietzels. Irgendwo da draußen trieb ein perverser Wissenschaftler seine tödlichen Versuche an nichts ahnenden Menschen. Ausgerechnet an dieses Monster war nun die verzweifelte Hoffnung gekettet, seinen Freund zu retten. Was wäre, wenn sie ihn bekämen? Wenn sie den rettenden Impfstoff in seinem Labor sicherstellen könnten? Würden dann Jahre vergehen, bis dieser Impfstoff die höchstamtliche Zulassung erlangte? Jahre, die Jack nicht mehr zur Verfügung stünden.
Übers Handy erreichte Joshua der Anruf des Staatsanwaltes. Bornmeier bat ihn, sofort in sein Büro zu kommen.
Der Jurist wirkte mitgenommen. Mit fahrigen Bewegungen bot er Joshua einen Stuhl an. Zur Genugtuung des Kommissars hatte Strietzel den Advokaten über seine Privatnummer verständigt und offenbar in helle Aufregung versetzt.
»Ich habe das Ermittlungsverfahren bereits eingeleitet. Ihre Behörde ist unterrichtet und angewiesen, umgehend eine Sonderkommission zu gründen. Mensch, Trempe, ich bewundere Ihren Riecher. Das muss in den Genen liegen.«
»Leider fehlt mir die Fähigkeit, Staatsanwälte zu überzeugen. Aber ich bin schon froh, nicht sicherheitshalber einen vierten Mord abwarten zu müssen.«
Das letzte Wort war noch auf
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